Das Interview führte Margret Köhler.
Sönke Wortmann (rechts) mit Louis Klamroth
Sie haben Ihr Traumprojekt verwirklicht. Sind Sie erleichtert oder fallen Sie jetzt in ein Loch?
Es war mein Traumprojekt schlechthin. Vielleicht war ich nur deswegen auf der Filmhochschule, um eines Tages diesen Film zu drehen und das ist schon eine problematische Situation. Eigentlich sollte ich aufhören, was ich mir aber nicht leisten kann, schließlich habe ich eine große Familie.
Wie lange dauerte es bis zum fertigen Film? Haben Sie beim Drehen noch etwas verändert?
Eigentlich nicht. Allein die Drehbuchphase betrug mit Unterbrechungen vier Jahre. Am Anfang hatte ich wesentlich mehr Fußballszenen geplant, jede Kürzung ging auf Kosten des Spiels, weil mich die Familiengeschichte letztendlich doch mehr interessierte, als die Fußballgeschichte.
Szene aus "Das Wunder von Bern"
Woher kommt diese so echt wirkende Atmosphäre in der Bergarbeitersiedlung, die Situation in der Familie des Kriegsheimkehrers?
Ich bin in so einer Straße aufgewachsen, mein Vater war im Krieg, wenn auch nicht in Gefangenschaft. Mir ist es selbst passiert, dass meine geliebten Kaninchen auf dem Tisch landeten. Ich selbst habe sie nicht gegessen, weil ich vorher merkte, was auf dem Teller lag, aber ich war ebenso traurig. Und ob Sie es glauben oder nicht, in der Crew waren drei Leute, denen das auch passiert ist.
Der Charakter von Peter Lohmeyer, der den Kriegsheimkehrer spielt, ist sehr ambivalent. Man hat mal Mitleid mit ihm, ärgert sich dann wieder über sein harsches Auftreten den Kindern und seiner Frau gegenüber. Wie haben Sie diese Figur vorbereitet?
Ich habe sehr viel über Kriegsgefangene gelesen, in Russland ging es ihnen damals sehr schlecht. Sie mussten stark sein, um zu überleben. Dann kam der Schock bei der Heimkehr, sie fanden eine vaterlose Gesellschaft vor. Man betrachtete sie nicht als Helden. Viele Männer litten unter Impotenz, auch als Ausdruck von Selbsthass. Oder denken Sie an die entwürdigende Szene auf dem Amt. Ich habe recherchiert: Es war wirklich so, dass diese Kriegsheimkehrer zwar ihre finanzielle Entschädigung erhielten, aber der Staat Geld sparen wollte und die fünf Jahre zusätzliche Haft nicht bezahlte. Ich verstehe die Aggressionen und den Frust eines solchen Menschen. Durch die Erfolge der Fußballmannschaft fällt auch etwas Glanz auf ihn, kann er über seinen Schatten springen. Diese Männer waren nicht nur körperlich, sondern auch seelisch versehrt. Ich möchte nicht im Krieg gewesen sein, meine Generation ist eine glücklichere Generation.
Am Ende ist ihr Film auch ein Abgesang auf das Männerbild. Da heißt es, deutsche Jungs können ruhig mal weinen.
Befehl und Gehorsam hieß es bei den Männern, auch in der Erziehung. Als sie aus dem Krieg kamen, haben sich die Frauen, die in ihrer Abwesenheit selbstbewusst die Verantwortung für die Erziehung der Kinder und den Familienunterhalt übernommen hatten, wieder zurückgenommen. Eine Erklärung dafür habe ich nicht, vielleicht weil sie mehr auf Harmonie bedacht und vernünftiger waren. Die Männer haben sich damals die Macht wieder zurückgeholt, aber inzwischen wieder abgegeben. Etwas sensibler sind Männer aber heute schon.
Woher kommt die Faszination Fußball? Sie haben sogar selbst gespielt.
Fußball ist ein aufregender Sport, für den Zuschauer ein Gruppenerlebnis. Alles ist auf dem Rasen möglich. Und – ganz wichtig – er steht für alle offen. Fußball kann man überall spielen und wenn es mit einer Coladose sein muss.
Damals waren die Fußballer noch arme Menschen, heute sind sie "Millionarios". Stößt Ihnen das nicht sauer auf, dass das "Herz" weg ist?
Ich glaube nicht, dass das "Herz" weg ist. Ich muss die Millionarios auch ein wenig in Schutz nehmen. Wenn Leute kommen und einem Spieler so viel Geld zahlen für das, was er sowieso machen will, hätte Toni Turek sicherlich auch nicht nein zu einer Million Mark für seine Dienste gesagt. Jetzt haben wir eben eine andere Zeit, man kann die Entwicklung nicht zurückdrehen. Sport ist Geschäft, davon profitieren auch die Fußballer. Es war damals vielleicht rührender, aber man darf deshalb die heutigen Spieler nicht verurteilen.
Szene aus "Das Wunder von Bern"
Welche Überlegungen gab es bei der Besetzung von Personen der damaligen Zeitgeschichte?
Wir wollten möglichst korrekt und authentisch sein. Die Spieler sollten eine möglichst große Ähnlichkeit mit den Fußballern von damals haben. Bei Sepp Herberger und den meisten Spielern ist das auch gelungen. Die Älteren waren fassungslos, als sie die Mannschaft gesehen haben. Horst Eckel und Torhüter Heinrich Kwiatkowski, die in Bern dabei waren, haben mir sehr viel geholfen. Das Casting lief mal anders herum. Wir haben Fußballer gesucht, die auch schauspielern konnten.
Bei diesem deutschen Mythos werden sich Puristen bestimmt auf jede Abweichung der Wirklichkeit stürzen.
Das stimmt. Im Prinzip ist alles so passiert, beispielsweise das "Fritz-Walter-Wetter". Aber natürlich hat Herberger niemanden rausgeworfen, gab es keine Putzfrau mit Ratschlägen, weder die naive Frau des Journalisten noch den kleinen Jungen im Stadion.
Das Wunder von Bern ist schließlich kein Dokumentarfilm.