Hintergrund
Zeitphänomene der zwanziger Jahre
Szene aus dem Film "Was nützt die Liebe in Gedanken"
Tanz und Sexualität
Zum Lebensstil der Privilegierten gehört in den 1920er Jahren das Tanzen. In den zahlreich eröffneten Tanzlokalen bietet sich das Gegenbild zur prüden Strenge des wilhelminischen Preußen. 1924 treten die "Chocolate Kiddies" mit Duke Ellington in Berlin auf, 1927 folgt Josephine Baker mit ihrer "Charleston Jazzband": Der Charleston ist eingeführt und wird zum beliebtesten Modetanz in Deutschland. Die so genannte "neue Frau", die einen Bubikopf trägt, kleidet sich in knielange Hemdkleider, die ihr genügend Bewegungsfreiheit beim Tanzen lassen. – Auch der Jazz ist beliebt. Die Vergnügungssucht ist groß, gepaart mit einer neuen sexuellen Freizügigkeit, die etwa auch in Nacktrevuen und den Schlagern der Zeit ihren Ausdruck findet.
Szene aus dem Film "Was nützt die Liebe in Gedanken"
Motorisierung
"Temporausch" heißt eine Sehnsucht in den 1920er Jahren. Technikbegeisterte junge Motorradfahrer/innen machen ihren Traum von Geschwindigkeit wahr – wenn möglich, mit dem Lederanzug als dem idealen Accessoire. Die "Automobilisten" der kapitalkräftigen Schichten fahren in offenen Wagen mit Lederhaube und spezieller Windschutzbrille. Der Traum der technikfaszinierten Jugend ist es, das Autofahren zu lernen – und natürlich selbst ein Auto zu besitzen. Die Motorisierung jener Zeit steht für technischen Fortschritt und Modernisierung, für Beschleunigung, Dynamisierung und Unabhängigkeit. 1922 gibt es in der Weimarer Republik etwa 82.700 Personenkraftwagen, 1932 bereits etwa 497.000. Mit der durch Fließbandarbeit erhöhten und verbilligten Produktion erobern Kraftwagen und Motorräder zunehmend die Straße. Die Verkehrsdichte nimmt zu – mit ihr steigen auch die Verkehrsunfälle – und bringt den Einsatz von Ampelanlagen und den Bau von Autobahnen mit sich.
Absinth
Für das Bedürfnis nach Rausch steht der Absinth, um dessen Geschichte sich einige Mythen ranken, nicht erst in den 1920er Jahren. Auch schon in der Zeit vor seinem Verbot im Jahre 1923 symbolisiert er "Opposition" und "Gegenkultur" der Jugend. Der Rausch wird sowohl durch den sehr hohen Ethanolgehalt als auch durch das enthaltene Nervengift bewirkt. Das Trinken in Gemeinschaft wird durch das Zuckern mit speziellen Absinthlöffeln wie ein Ritual zelebriert. Absinth ist ein alkoholisches Getränk aus Wermut (Artemisia absinthium). Wegen seiner grünen Farbe hat es den Namen "la fée verte", "die grüne Fee", erhalten. Die ätherischen Öle enthalten als Hauptbestandteil das Nervengift Thujon, das in hoher Konzentration – ebenso wie der Absinth-Abusus – zu Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Psychosen, Demenz etc. führen kann. Die Liste der beschriebenen klinischen Symptome ist lang. Diese Effekte führen in vielen Ländern im Jahre 1923 zum Verbot des Absinths, auch in der Weimarer Republik. Seit 1991 ist ein reglementierter Thujon-Anteil wieder zulässig, der Absinth erlebt sein "Comeback".
Autor/in: Linda Schmidtke, 21.09.2006