Das Interview führte Margret Köhler.
In Frankreich zählte Die Kinder des Monsieur Mathieu schon über sieben Millionen Besucher. Ein französisches Phänomen?
Der Film führt die Franzosen in ihre ganz persönliche Geschichte zurück, in ihre Jugend in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In anderen Ländern ist der Film noch nicht angelaufen. Ich glaube jedoch, dass dieser charmante, emotionelle Film, gerade weil er zuweilen altmodisch anmutet, auch in Deutschland besonders gut aufgenommen wird, obwohl die Darsteller weit gehend unbekannt sind.
Sie haben ein Faible für Newcomer bei Regisseuren. Warum Christophe Barratier?
Es war Barratier, der diese Geschichte initiierte und unbedingt selbst inszenieren wollte. Er glaubte so sehr an den Film, dass es ein Fehler gewesen wäre, ihn mit einem anderen Regisseur zu machen, zumal Christophe Musik studiert hat und die Musik im Film eine herausragende Rolle spielt. Er war von dem Stoff begeistert und übertrug diese Begeisterung auf meinen Koproduzenten Jacques Perrin und mich. Wir sahen sofort, dass hier eine ganz seltene Emotion verborgen war.
Was interessierte Sie speziell an diesem Sujet?
Ich habe immer Filme gemacht, die in ihrer Art irgendwie neu waren: nie einen Western, einen Krimi, sondern Filme über ungewöhnliche Themen, an die sich der Zuschauer noch viele Jahre lang erinnern kann.
Die Kinder des Monsieur Mathieu hat diese Eigenschaften. Die Kindheit ist die wichtigste Zeit im Leben eines Menschen. Sie prägt unser Verhalten als Erwachsene, beruflich und privat, hat Einfluss auf unsere Beziehungen. Dieses Thema publikumswirksam auf die Leinwand zu bringen, war mir ein persönliches Anliegen. Interessant fand ich auch die Beziehung zwischen Monsieur Mathieu und seinen Zöglingen. Erst reagierten sie mit Aggression auf seine Versuche, ihnen die Musik zu vermitteln, weil sie das Vertrauen verloren hatten. Erst nachdem dieses wieder zurückgewonnen war, konnte es zum Verständnis zwischen den Generationen kommen. Dieser Lehrer war mit seinen Erziehungsmethoden seiner Zeit voraus, im Gegensatz zum autoritären Direktor, der manchen Kinderseelen irreparablen Schaden zufügte. Nicht nur Erzieher, wir alle tragen Verantwortung für die Zukunft der Heranwachsenden. Wenn der Zuschauer diesen Gedanken mit nach Hause nimmt, haben wir schon viel erreicht.
Kann Musik identitätsstiftend wirken?
Natürlich. Das sehen Sie schon an einem Pop-Konzert, wenn plötzlich 60.000 Leute ein Herz und eine Seele sind, weil "ihr" Star auftritt und "ihre" Musik macht!
Glauben Sie, dass jemand mit so schlimmen Erfahrungen wie der Junge Mondain überhaupt noch sein Leben in den Griff bekommen kann?
Das kommt auf die Persönlichkeit an, auf seine Stärke. Es gibt Kinder aus großen Familien, die im Leben versagen. Und es gibt Menschen, die – nach schwerster Jugend – ein Imperium aufbauen.
Inwieweit ist der Inhalt des Films heute noch aktuell?
Der Film spielt nicht im Mittelalter, so wie im Film war es vor 60 Jahren. Natürlich hat sich in den Schulen Vieles geändert, aber nicht in den Köpfen der Menschen. Die Botschaft ist aktuell – denn auch heute stehen Lehrer vor der Frage, wie sie ihre Schüler begeistern können.
Sind Sie optimistisch, was die Erziehung angeht? Inwieweit ist ein junger Mensch formbar?
Die heutige Jugend ist klug, aufgeschlossen und viel toleranter als noch vor 40 Jahren. Wenn die Eltern in der modernen Welt voll und ganz auf ihre Kinder eingehen, sind die Möglichkeiten, ein Kind optimal ins Leben zu begleiten, besser denn je. Die Gesellschaft – und damit auch die Erziehung – ist viel ehrlicher geworden. Arthur Cohn ist der einzige Produzent weltweit, der bereits sechs Oscars gewonnen hat und zwar für
Nur Himmel und Dreck (1961),
Die Gärten der Finzi Contini (1970),
Sehnsucht nach Afrika (1976),
Gefährliche Züge (1984),
American Dream (1991) und
Ein Tag im September (2000). Sehr erfolgreich war er auch mit zwei Produktionen unter der Regie von Walter Salles:
Central Station (Goldener Bär, Internationale Filmfestspiele Berlin 1998) und
Hinter der Sonne (2002).