Das Interview führte Margret Köhler.
Regisseur Terry George (Foto: Tobis Film)
Was bringt Sie immer wieder zu politischen Themen? Als Drehbuchautor für Jim Sheridans Im Namen des Vaters (1993) griffen Sie das Fehlurteil der britischen Justiz gegen vermeintliche IRA-Bombenleger auf, in Mütter und Söhne (1996) und Der Boxer (1997) geht es ebenfalls um den Nordirland-Konflikt.
Als Nordire und Leidtragender des Bürgerkriegs im eigenen Land bin ich sensibilisiert für Ungerechtigkeiten der Politik. Ein Spielfilm ist für mich die beste Art des Geschichtenerzählens, damit kann man die Leute erreichen. Mehrere amerikanische Politiker sahen
Im Namen des Vaters und engagierten sich daraufhin intensiver im Friedensprozess. Da gibt es eine Korrelation: Ein guter Film kann Anstöße vermitteln. So machte
The Killing Fields publikumswirksam auf den Genozid in Kambodscha aufmerksam oder
Missing auf das diktatorische Regime in Chile.
Hotel Ruanda könnte der Auslöser sein, über den Völkermord in Ruanda nachzudenken.
Nur selten beschäftigen sich Filmemacher mit den Problemen Afrikas. Woher kam Ihr Interesse?
Ich fand es an der Zeit, den cinematografischen Blick auf den schwarzen Kontinent zu richten, den wir sträflich vernachlässigen. Beim Tsunami in Asien waren sofort humanitäre Hilfstruppen zur Stelle. Ist das Leben von Afrikanern weniger wert? Ob im Sudan oder im Kongo, unter den Augen der internationalen Gemeinschaft wird gemordet und gebrandschatzt, derzeit sterben Tausende in Dafur – und der Westen schaut zu, so wie er damals in Ruanda zuschaute. Ich wollte erzählen, wie ganz normale Afrikaner in ethnische Konflikte geraten und schrieb an einem Drehbuch über den Bürgerkrieg in Liberia. Da machte mich mein Agent auf das Drehbuch von Kear Pearson aufmerksam, und kurz darauf saßen wir mit Paul Rusesabagina und seiner Familie in Brüssel zusammen. Ich war wie elektrisiert von dieser Geschichte, die alle wichtigen Elemente für einen guten Film in sich trug: ein Politthriller, eine Love-Story, ein Aufschrei nach Gerechtigkeit.
Mit Ihnen kehrte Paul Rusesabagina erstmals seit seiner Flucht wieder zurück nach Ruanda.
Er war sehr nervös und machte eine sehr emotionale und schmerzhafte Reise durch. Auch ich war aufgeregt und besorgt. Als wir zum Hotel fuhren und einige Überlebende des Massakers ihm mit Tränen in den Augen noch einmal dankten, hat mich das ziemlich erschüttert – ein Aufwachsignal. In diesem Moment wurde aus meiner Leidenschaft für das Projekt eine Verpflichtung. Es gab plötzlich für mich nichts Wichtigeres als diesen Film.
Waren Sie vorher schon einmal in Afrika?
Das war mein erster Besuch. Alles schien so friedlich und mir ging ständig der Gedanke im Kopf herum, wie 1994 so etwas passieren konnte. Wie konnte diese Radiostation Menschen, die sonst als Nachbarn nebeneinander wohnten, so mit Hass erfüllen und aufeinander hetzen? Nach diesem Aufenthalt weiß ich erst, wie gut es uns geht. Wir haben überhaupt keine Vorstellung von Hunger und diesem Bürgerkriegswahnsinn, von dieser Hoffnungslosigkeit, Armut und den Auswirkungen von Aids. Trotz allem bewahren diese Menschen ihre Würde. Dieser Kontinent fasziniert mich.
Inwieweit war Paul Rusesabagina in den Film eingebunden?
Wir sind zusammen alle Details durchgegangen und er stand uns beratend zur Seite. Don Cheadle, der ihn im Film darstellt, und er tauschten sich ständig aus, schrieben sich E-Mails und telefonierten miteinander. Der Blick von innen war wichtig, auch weil ich den Fokus auf die Beziehung zwischen Paul und seiner Tutsi-Ehefrau lenke. Nachdem Paul das Drehbuch gelesen hatte, versicherte er uns, zu 90 Prozent sei alles so passiert.
Gibt es Gedenkstätten, die an den Bürgerkrieg erinnern?
Das Schlimmste war ein Besuch des Museums in Murambi. 40.000 Menschen wurden dort ermordet, in einem technischen Kolleg allein Tausende von Tutsi in vier Tagen. Man warf die Leichen in Massengräber und streute Kalk darüber. Einige der mumifizierten Opfer sieht man in den Räumen, wo das Grauen stattfand, Mütter und kleine Kinder, die schützend ihre Hände hochhielten. Ihre Haut verfärbte sich mit der Zeit weiß. Diese Bilder verfolgen mich noch heute. Ich schwor mir, den Film so gut wie möglich zu machen.
Sie deuten die Massaker nur an. Warum?
Wie kann ich das Unmögliche auf die Leinwand bringen und zeigen, wie Menschen andere Menschen mit Macheten zerhacken? Es wäre nicht auszuhalten gewesen. Ich wollte und konnte das Entsetzliche nicht realitätsnah 1:1 zeigen.
Der Film ist unabhängig produziert. Haben Sie es nicht in Hollywood versucht?
Hollywood macht für so ein Projekt keinen Dollar locker. Als unabhängige Produktion genossen wir die Freiheit, mit Don Cheadle und Sophie Okonedo die Schauspieler auszuwählen, die wir wollten. Es hätte mich auch wahnsinnig gemacht, die Geschichte aus der Perspektive des UN-Colonels aufzurollen, also noch mal einen dieser üblichen Hollywood-Schinken über einen ehrenwerten weißen Mann abzuliefern, der in Schwarzafrika scheitert. Ich erzähle von einem wahren afrikanischen Helden.
Warum haben Sie nicht in Ruanda, sondern in Südafrika gedreht?
Wegen der Infrastruktur und Logistik. Es war eine gute Entscheidung. So habe ich auch dieses Land kennen gelernt. Südafrika erscheint vielen Immigranten aus dem Norden wie der Himmel auf Erden, es repräsentiert eine gewisse Stabilität, einen gewissen Wohlstand. Das bringt natürlich auch manche dazu, sich zu nehmen, was sie wollen und sei es durch Mord. Die Kriminalitätsrate ist hoch, aber in deren Schatten wächst auch ein Stückchen Optimismus. Anfänglich war es beängstigend, in der Nähe einer Township wie Alexandra zu arbeiten. Südafrika benötigt die Unterstützung der westlichen Welt, damit das Land als Beispiel für Demokratie funktionieren und andere Staaten zur Nachahmung ermuntern kann. Wir dürfen Afrika nicht alleine lassen.