Hintergrund
Filmbildung auf der Berlinale
Das Kino als Klassenzimmer
Die Berlinale als Lernort, der Kinosaal als Klassenzimmer? Seit drei Jahren ist dies möglich. 2005 startete nach einer umfassenden Konzeptionsphase ein medienpädagogisches Pilotprojekt der Kinder- und Jugendfilmsektion des größten deutschen Filmfestivals. Schon lange legt die 2007 in Generation umbenannte Sektion – das bisherige Kinderfilmfest/14plus – großen Wert auf einen engen Kontakt mit den Berliner Schulen. Schließlich möchten die Programmverantwortlichen gerade junge Menschen für unterhaltsame, aber zugleich anspruchsvolle Filme begeistern. Mit Erfolg: "Ein Geheimnis unserer vollen Kinos ist, dass viele Berliner Schulen auf unser Programm regelrecht warten", so Sektionsleiter Thomas Hailer. Weil viele Filme aber eben nur auf dem Festival zu sehen sind, hatten es interessierte Lehrkräfte schwer, den Kinobesuch auch in den Unterricht einzubinden.
Erweitere Pilotphase
Genau hier setzt das Projekt an, das 2007 im letzten Jahr seiner Pilotphase noch erweitert wurde – unter anderem auch mit Unterstützung von Vision Kino, dem bundesweiten filmpädagogischen Netzwerk. Unter der Leitung des Medienpädagogen Dr. Martin Ganguly werden nun rund 45 Lehrer und Lehrerinnen aus Berlin und dem Umland darin unterstützt, wie sie die Festivalfilme gemeinsam mit ihren Schüler/innen vor- und nachbereiten können. Nachdem ursprünglich nur Grundschulen und Gymnasien eingebunden waren, sind in diesem Jahr auch eine Haupt- und eine Gesamtschule dabei. "Wir wollen ein breites Spektrum an Schultypen erreichen, möglichst aus dem gesamten Stadtgebiet", so Martin Ganguly. Ihm ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche aus verschiedenen sozialen Lebensbereichen angesprochen werden.
Vorbereitung des Schuleinsatzes
Ein solches Projekt braucht Zeit und einen gut koordinierten Vorlauf, der Vorbereitungstreffen und Einzelgespräche mit den Lehrkräften umfasst. Nur so lässt sich bereits im Vorfeld ausloten, welche Filme zu bestimmten Unterrichtsthemen, aber auch zu den jeweiligen Schülerinnen und Schülern besonders gut passen. Die Lehrer/innen können sich bereits vorab jeweils zwei bis drei der aktuellen Generation-Filme anschauen, um sich dann für einen von ihnen zu entscheiden. Dadurch lässt sich der gemeinsame Berlinale-Besuch mit der Schulklasse optimal in den Unterricht integrieren. Martin Ganguly: "Ich berate natürlich bei Methodik und Didaktik, aber die meisten Ideen bringen die Lehrer selbst mit." Im vergangenen Jahr realisierte eine Schule beispielsweise ein fächerübergreifendes Projekt rund um den dänischen Erfolgsfilm Drømmen (Der Traum; Niels Arden Oplev) über einen Schüler, der seinem brutalen Rektor mutig Paroli bietet. In Lebenskunde, Englisch und Sozialkunde beschäftigten sich Sechstklässler/innen mit Themen wie Machtmissbrauch, Menschenrechte oder damit, wie ihre "Wunsch"-Schule aussehen könnte.
Kontinuität erwünscht
Die diesjährige 30. Berlinale ist zugleich die vorläufige Endphase des Pilotprojekts. Auch in diesem Jahr war die Nachfrage groß. Deswegen ist man bei der Sektion
Generation zuversichtlich, das Projekt fortsetzen zu können. Martin Ganguly ist seine Arbeit wichtig. Nicht zuletzt deswegen, weil der Film hierzulande im Unterricht noch immer recht stiefmütterlich behandelt wird. "In den bundesweiten Rahmenlehrplänen stehen zwar wunderbare Dinge über Filmerziehung, aber die werden meiner Erfahrung nach zu wenig umgesetzt. Film sollte einen anderen Stellenwert im Unterricht haben. Zumindest an Gymnasien wissen die meisten Schüler, wer Schiller und Goethe ist, aber sie wissen nichts über Billy Wilder oder Alfred Hitchcock. Wir wollen ihnen gute Filme zeigen, damit sie Geschmackskriterien entwickeln können und nicht hilflos der Medienflut ausgesetzt sind."
www.berlinale.de
Autor/in: Ula Brunner, 06.02.2007
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