D-Day
Gut 54 Jahre nach dem D-Day, der Invasion der alliierten Streitkräfte an der Ostküste der Normandie, die mit der Überwindung des Atlantikwalls die endgültige Befreiung von der Hitler-Diktatur einleitete, haben sich die Reihen der an der Operation "Overlord" beteiligten Zeitzeugen schon erheblich gelichtet. Um der Nachwelt das unter den Alliierten besonders für die Amerikaner bedeutungsvolle (und am Omaha Beach verlustreiche) Ereignis in Augenzeugenberichten zu hinterlassen, hat das Eisenhower Center für amerikanische Studien an der Universität von New Orleans bereits in den 80er Jahren etwa 1400 Interviews mit Veteranen des D-Day durchgeführt. Diese Sammlung bildet den Grundstock für das National D-Day-Museum, das zum 55. Jahrestag am 6. Juni 1999 in New Orleans eröffnet werden soll.
Die deutschen historischen Analysen sind dagegen mehr in die gesamte Geschichte des Zweiten Weltkriegs und in die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus eingebettet. Dabei wird der D-Day auch als militärische Niederlage beschrieben. Beispielsweise weist Bodo Hasenberg in seiner auflagenstarken "Chronik des 20. Jahrhunderts" besonders darauf hin, wie groß die Übermacht der Alliierten gewesen ist, wie heftig sich die Deutschen wehrten, und dass Hitler in der Meinung, die Landung sei nur ein Täuschungsmanöver, mehrere Tage lang eine Truppenverstärkung in der Normandie verweigerte und lieber eine "Verteidigung an Ort und Stelle bis zur letzten Patrone" befahl. Diese taktische Fehleinschätzung war auch einer der Auslöser für die Gruppe um Graf von Stauffenberg, das (fehlgeschlagene) Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 zu wagen.
Einen sehr informativen und auch formal ansprechenden Einstieg in die Thematik bietet die Encyclopaedia Britannica anlässlich des Filmstarts von Spielbergs Film ("The history behind Saving Private Ryan") in ihrem englischsprachigen Online-Studienführer (http://normandy.eb.com/), der mit zahlreichen Links zu weiterführenden Informationen, Bild-, Ton- und Videomaterialien versehen und in fünf Kapitel unterteilt ist. Sie wurden mit Hilfe des bekannten Militärhistorikers und Mitherausgebers des "Daily Telegraf" John Keegan erstellt, dessen Fachbücher zum großen Teil auch in Deutschland erschienen sind. Keegan zeichnet nicht nur den Verlauf der Militäroperation nach, in deren Verlauf etwa eine halbe Million Menschen getötet, verwundet oder als vermisst erklärt wurden (darunter 320000 Deutsche und 135000 Amerikaner), sondern beurteilt in seinem letzten Kapitel auch die unterschiedlichen Folgen der Invasion für die betroffenen Nationen: Für die Deutschen beispielsweise zählte die Niederlage in der Normandie als Wendepunkt im Krieg viel weniger als Stalingrad oder die strategische Katastrophe in Weißrussland. Und den Amerikanern brachte sie zunehmende militärische Verantwortung weltwelt und den Aufstieg zur Führungsmacht Nummer eins.
Autor/in: Holger Twele, 11.12.2006