Die Teenager Emi, Samira, Laura, Alina, Emi, Yannick, Anton, Nino und Aleks wachsen im Münchner Randbezirk Hasenbergl in einer Hochhaussiedlung auf. Emi jobbt in einem Supermarkt, wird aber entlassen, als sie Samira, Laura und Alina nach einem Diebstahl zur Flucht verhilft – woraufhin sie Teil ihrer Clique wird. Auf dem Dach eines Parkhauses treffen die vier jungen Frauen auf Yannick, Anton, Nino und Aleks. Die beiden Gruppen nähern sich langsam an. In ihrer Prahlerei vor den Frauen einigen sich die vier pubertierenden Jungen spontan auf eine Wette: Wer von ihnen am Ende der Sommerferien seine „Jungfräulichkeit“ noch nicht verloren hat, muss am ersten Schultag nackt über den Schulhof laufen. Die zunächst spaßig gemeinte Abmachung führt zu folgenschweren Entwicklungen, die nicht nur die Freundschaft der vier jungen Männer, sondern auch den Zusammenhalt innerhalb der Mädchenclique auf die Probe stellen.
Gleich zu Beginn der
Coming-of-Age-Webserie
Stichtag zeigt eine
Parallelmontage unverblümt Emi und Aleks beim heimlichen Masturbieren. Der Einstieg etabliert die Sexualität der Jugendlichen als zumindest vordergründig zentrales Thema, zugleich betont er die ausgewogene Perspektive der Serie, die versucht, die Situation beider Geschlechter gleichberechtigt darzustellen. Betont wird auch die räumliche
Verortung in einer Großsiedlung am Rande von München. In schnell
geschnittenen, dynamischen
Sequenzen und unterlegt von
deutschem Hip-Hop fängt
Stichtag dort einen Teenageralltag ein, der aus ziellosem Herumtreiben, ständigem Chatten und kleineren Straftaten besteht – wobei die Serie den Figuren empathisch begegnet. Im Kontrast dazu stehen ruhige
Szenen, in denen sich die Jugendlichen einander anvertrauen und über Zukunfts- und Verlustängste sowie elterliche Vernachlässigung sprechen. Dazu problematisiert die Serie immer wieder archaische Männlichkeitsideale, die schließlich auch eine dramatische Zuspitzung der Ereignisse verursachen. Weniger nuanciert fällt die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Zusammenhängen aus. Verbindungen zwischen Armut, Gewalt und Kriminalität reflektiert
Stichtag kaum. Ebenso wenig wird konkretisiert, wie das soziale Umfeld die Lebensentwürfe der Jugendlichen prägt oder auch welche Strategien sie nutzen, um Alltagsprobleme zu lösen.
Trotz dieser Schwächen lässt sich die Webserie produktiv in den Unterricht integrieren. Im Fach Deutsch können die Schüler/-innen ihren eigenen, medial durchdrungenen Alltag diskutieren und diesen in textlicher Form, etwa als
Skript einer Webserie, darstellen. Im Sozialkundeunterricht bietet es sich an, das Erwachsenwerden unter ökonomisch-prekären Bedingungen zu thematisieren: Wie beeinflusst das soziale Milieu Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe? Hier können auch die Stereotypisierungen der Serie kritisch untersucht werden. Die letzten Folgen von
Stichtag handeln von sexualisierter Gewalt und dem Verschicken sexueller Inhalte unter Minderjährigen. Insofern eignet sich die Serie auch als Ausgangspunkt, um Problematiken wie Sexting und sexuelle Grenzverletzungen in sozialen Medien zu thematisieren - was ein vertrauensvolles Unterrichtsklima voraussetzt. In diesem Zusammenhang sollten die Schüler/-innen eigene Medienpraktiken reflektieren und für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte sensibilisiert werden.
Autor/in: Moritz Stock, 02.12.2020
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