Eine geheimnisvolle junge Frau erledigt ihre monotone Arbeit in der Fabrik gewissenhaft, geht aber keine Beziehungen zu den anderen Fließbandarbeitern/innen ein und wechselt auch kaum Worte mit ihnen. Damit sie auf andere Gedanken kommt und der Arbeitsfriede in der Belegschaft erhalten bleibt, schickt ihr Chef sie in den Urlaub. Spontan entscheidet sie sich, die Zeit zu nutzen und auf einer abgelegenen Bohrinsel einen nach einem Brandunfall schwer verletzten und vorübergehend erblindeten Ingenieur zu pflegen. Zwischen der Pflegerin und dem gut Versorgten entsteht auf Anhieb ein tiefes Gefühl der Verbundenheit, ohne dass es irgendwelcher Worte bedarf. Beide leiden aus verschiedenen Gründen unter großen Schuldgefühlen – der Mann gibt sie mit der Zeit preis, die Frau jedoch bleibt unnahbar. Nach seiner vollständigen Genesung macht sich der Ingenieur auf die Suche nach seiner Helferin und erkennt, dass seine äußeren Brandwunden nichts im Vergleich zu den inneren Verletzungen dieser Frau sind, die den Bosnienkrieg überlebt hat.
Gerade weil der Film nicht auf Dramatik oder Pathos setzt und seine eigentliche Geschichte hinter den knappen Äußerungen der Protagonisten/innen lange Zeit verschweigt, wirkt er besonders eindringlich und macht mit Blicken, Gesten und Berührungen sinnlich nachvollziehbar, was allein mit Worten nicht zu vermitteln wäre. Einfühlsam nähert sich die Regisseurin einem psychischen Trauma, das in dieser oder ähnlicher Form seinerzeit hundertfach durch die Weltpresse ging, aber in ihrer Tragweite für die unmittelbar Betroffenen Außenstehenden allenfalls ansatzweise nachvollziehbar war und heute allzu leicht in Vergessenheit gerät. Am Ende setzt der Film zugleich ein Zeichen der Hoffnung, dass die Liebe imstande ist, sogar solche schweren Traumata zu überwinden.
Autor/in: Holger Twele, 21.10.2006