Illich Ramírez Sánchez, genannt Carlos, ist eine Schlüsselfigur in der Geschichte des Internationalen Terrorismus. 1970 schließt er sich der Volksfront zur Befreiung Palästinas an. 1975 sorgt er mit dem von ihm verantworteten Anschlag auf das Hauptquartier der Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) in Wien für Schlagzeilen. In späteren Jahren arbeitet er als Auftragskiller für Geheimdienste und macht organisierte Gewalt zu einem wirtschaftlich lukrativen Geschäft. Er kooperiert unter anderen mit Libyen, dem Irak, dem Sudan und der DDR, pflegt aber auch Kontakte zur terroristischen Organisation Rote Armee Fraktion (RAF). Immer wieder schafft er es unterzutauchen, bis ihn nach Ende des Kalten Krieges der Sudan an Frankreich ausliefert.
Authentisch und mit schlichten Bildern rekonstruiert Olivier Assayas die terroristische Laufbahn des gebürtigen Venezolaners, wobei der Film in zwei unterschiedlich langen Versionen in die Kinos kommt. Assayas erlaubt sich in Bezug auf seinen Protagonisten erzählerische Freiheiten. Ansonsten hält er sich aber in seinem wie ein Polit-Thriller anmutenden Film historisch an Fakten und rollt Ereignisse chronologisch auf, wobei er unterstützend zeitgeschichtliche Archivaufnahmen
montiert. Entmystifiziert wird Carlos nur teilweise. Er bleibt ein rätselhafter Mann, ein Marxist und Sexist, der einen luxuriösen Lebensstil führt und keineswegs nur für politische Ideologien operiert. Édgar Ramírez ist ein fulminanter Hauptdarsteller, der Carlos’ Eitelkeit, seinen Machismo, aber auch seine kompromisslose Gefährlichkeit eindringlich vermittelt. Es empfiehlt sich, den Film in der untertitelten Originalfassung zu sehen, denn der Wechsel der Schauplätze und das babylonische Sprachgewirr vermitteln einen authentischen Eindruck der Aktionen des international agierenden Terrorismus.
Carlos – Der Schakal verzichtet auf Hintergründe zu Carlos’ zahlreichen Anschlägen. Im Unterricht empfiehlt es sich deshalb, relevante Ereignisse zu vertiefen. Schüler/innen können im Geschichts- und Politikunterricht über Carlos’ Motive diskutieren, Gemeinsamkeiten und Interessenkonflikte mit anderen terroristischen Gruppierungen herausarbeiten und erörtern, inwieweit sich der Internationale Terrorismus von den 1970er-Jahren bis zur Gegenwart verändert hat. Weitere Fragen wirft die Beziehung zwischen Carlos und seiner Ehefrau Magdalena Kopp auf: Warum stellte sich die Feministin in den Dienst dieses Mannes, für den offenbar auch private Beziehungen kaum mehr als Machtspiele waren?
Autor/in: Kirsten Liese, 03.11.2010
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