In dem Dokumentarfilm
Close-up Kurdistan hat der in Deutschland lebende kurdische Regisseur Yüksel Yavus seine persönliche Geschichte der Migration mit der komplexen Gegenwart des türkisch-kurdischen Konflikts verknüpft. Vor dem Hintergrund der eigenen Identitätsproblematik thematisiert Yavus die kollektive Erfahrung ethnischer Verfolgung der Kurden anhand von verschiedenen Einzelschicksalen und stellt die Etablierung einer kurdischen Verwaltung im Nordirak als neue Hoffnung für die Autonomie-Bestrebungen dar.
Die filmische Reise führt in die Regierungshauptstadt Ankara, nach Istanbul, quer durch die Türkei und über Hamburg und Schweden schließlich in ein kurdisches Flüchtlingslager im Irak. Ausgangspunkt ist der Geburtsort Yavus' im Osten der Türkei, wo er seine Eltern besucht und Erinnerungen an die eigene Schulzeit Revue passieren lässt: Wie alle kurdischen Kinder musste er auf ein Internat gehen, eine so genannte "Assimilationsanstalt", in der ihnen das Sprechen der kurdischen Sprache verboten war und sie ihrer Kultur entfremdet werden sollten. Wie der Militärstaat der Türkei dem kurdischen Volk systematisch und mit Gewalt die kemalistische Einheitsideologie aufzwang, bis die kurdische Untergrundorganisation PKK 1984 den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat annahm, wird mit Fakten und Zeitzeugenberichten aus beiden Konfliktparteien anschaulich gemacht. Erinnert wird an die multi-ethnische Vergangenheit der Region, die durch den türkischen Nationalismus ein Ende fand.
Einer der Protagonisten ist der bekannte Autor Ismail Besikci, der wegen seiner Bücher über die kurdische Kultur insgesamt 17 Jahre in mehreren Gefängnissen verbringen musste. Neben ihm kommen Flüchtlinge und Guerilla-Kämpfer/innen, darunter die im deutschen Exil lebende Kurdin Beriwan, zu Wort, deren Aussagen mit denen ehemaliger türkischer Geheimdienstler und Soldaten kontrastiert werden. Ohne anzuklagen ruft
Close-up Kurdistan einen in Vergessenheit geratenen Konflikt ins Gedächtnis, in dem es um die Selbstbestimmung der Kurden geht – ein Anliegen, das bis heute in Europa kaum Gehör findet. Im Kontext der EU-Beitrittsverhandlungen und der Diskussion um Menschenrechtsfragen in der Türkei kann der Film als versöhnendes Gesprächsangebot über einen Krieg verstanden werden, dem Schätzungen zufolge etwa 100.000 Menschen zum Opfer fielen.
Autor/in: Susanne Gupta, 05.12.2007
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