Als sich der Zweite Weltkrieg seinem Ende nähert, ist die Hamburger Kantinenleiterin Lena Brückner Ende 40. Vor einem Kino lernt sie den Marinesoldaten Hermann Bremer kennen, der zum aussichtslosen "Endkampf an der Heimatfront" abkommandiert ist. Die einsame Lena, deren Mann an der Ostfront verschollen ist, nimmt den jungen Mann mit nach Hause und verbringt die Nacht mit ihm. Sie bietet ihm an, ihn in ihrer Wohnung zu verstecken. Hermann willigt ein. Von nun an ist er ein Deserteur, dem bei Entdeckung die standrechtliche Erschießung droht. Zwischen den beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die allerdings für Hermann von dem Gefühl des Eingeschlossenseins und der Angst, entdeckt zu werden, überschattet ist. Als der Krieg beendet ist, verschweigt Lena ihm dies zunächst, um möglichst lange mit ihm auf ihrer "Matratzeninsel" bleiben zu können. Denn sie weiß, dass diese Liebe keine Zukunft hat: Auf Hermann warten Frau und Kind.
Der Drehbuchautorin und Regisseurin Ulla Wagner, die vor acht Jahren mit
Anna Wunder (Deutschland 2000) ihr Kinodebüt gab, schafft es mit großem dramaturgischem Geschick, der klaustrophobischen Konstellation der gleichnamigen Novelle von Uwe Timm aus dem Jahr 1993 Spannung und gefühlvolle Glanzlichter abzugewinnen. Nah- und Halbnaheinstellungen vermitteln das Gefühl räumlicher Enge innerhalb der Wohnung, die für das ungleiche Paar eine Fluchtinsel inmitten der Schrecken des Krieges bildet, ehe sie für den Deserteur zur Gefängniszelle wird. Totalen hingegen zeigen die glücklich durch die weitläufigen Hamburger Straßen stolzierende Lena. Geradezu beiläufig schildert die ruhige Inszenierung die Lebensumstände in der zerbombten Stadt: die tägliche Suche Lenas nach Lebensmitteln, die Schnüffeleien des Blockwarts, eines treuen Nationalsozialisten, Lenas Freundschaft mit dem strafversetzten Kantinenkoch. Zugleich erzählt der Film humorvoll eine Geschichte weiblicher Selbstbehauptung: Mit der Titel gebenden "Entdeckung der Currywurst" begründet Lena nach Kriegsende schließlich ihre neue Existenz.
Die exzellenten Schauspielleistungen des jungen Alexander Khuon und der 58-jährigen Barbara Sukowa, die in der Fernsehserie
Berlin Alexanderplatz (Deutschland 1980) von Rainer Werner Fassbinder oder in
Die bleierne Zeit (Deutschland 1982) von Margarethe von Trotta reüssierte, machen die subtile Kriegsromanze zu einem intensiven Kinoerlebnis, das zudem zahlreiche Diskussionsansätze für die filmpädagogische Arbeit liefert. Rechtfertigt die Liebe Lügen gegenüber einem geliebten Menschen? Wie kann es sein, dass ein junger Soldat Tage vor Kriegsschluss noch glaubt, dass mit Hilfe der englischen Streitkräfte die "Ostgebiete" zurückerobert werden könnten? Die lebensbejahende Lena lässt den verblendeten Matrosen lange in seinem naiven Glauben. Erst als die Alliierten die ersten Fotos aus den Vernichtungslagern in den Zeitungen drucken, kann Lena nicht länger schweigen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 09.09.2008
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