Achtzehn Jahre nach
Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (Uli Edel, D 1981) hat sich im Umkreis des ehemaligen Berliner Fernbahnhofs nicht viel verändert, wie der Dokumentarfilm von Sebastian Heidinger zeigt. Aileen (16), Angel (23) und Daniel (25) leben auf der Straße und in Notunterkünften. Wie eine Art Kleinfamilie hängen die drei zusammen und aneinander: Anschaffen, "Ballern" von Heroin (Fixen), Essen und Schlafen bestimmen ihren monotonen Alltag. Als Aileen an Hepatitis erkrankt, will sie noch einmal eine Therapie versuchen und fährt zurück in ihren Heimatort. Angel und Daniel bleiben am Bahnhof Zoo zurück.
Für seinen Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) hat Heidinger einige Monate Vorbereitungszeit gebraucht, bis ihm seine Protagonisten/innen soweit vertrauten, dass sie die Kamera vergaßen. Sie beobachtet die Hauptfiguren in der Tradition des
Direct Cinema und vermittelt so authentische Einblicke in das Drogenmilieu. Alltägliche Situationen sind ohne erklärendes Voice Over aneinander montiert. Heidinger wahrt Distanz zu seinen "Helden/innen", vermeidet Romantisierung oder Mitleid und zeigt den Drogenalltag als öde Routine: Die Kamera schaut zu, wie sich Daniel und ein Freund auf einer ruhigen Behindertentoilette einen Schuss setzen und beobachtet Angel quälend lange Minuten beim Ordnen seiner Habseligkeiten in der Notunterkunft. Erst zum Filmende hin offenbart sich ein Plot, eine Geschichte, die für Aileen vielleicht sogar gut enden könnte.
Die offene Dramaturgie und der beobachtende Kameragestus in
Drifter lassen dem Publikum genügend Raum, um die Leerstellen selbstständig zu füllen. Durch diese nüchterne Erzählweise ist der Film auch gut geeignet, um die mediale Darstellung des "Drogenmilieus" vergleichend zu analysieren. Im Gegensatz zu Spielfilmen wie
Wir Kinder vom Bahnhof Zoo oder
Trainspotting (Danny Boyle, GB 1996), die der "Szene" beispielsweise über die
Filmmusik einen coolen Anstrich verleihen, zeigt
Drifter ein Leben, das wohl kaum erstrebenswert ist. Neben einer grundsätzlichen Diskussion über Drogen und deren Missbrauch können anhand des Films zudem die Gründe für das Abrutschen von Jugendlichen in die Drogenszene und Prostitution hinterfragt werden. Nicht zuletzt bietet sich eine ethische Diskussion darüber an, wie wir mit Menschen umgehen, die am Rand der Gesellschaft existieren.
Autor/in: Ingrid Beerbaum, 05.06.2009
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