"The World’s Greatest Company" – so nannte sich die amerikanische Firma Enron gerne selbst. Das internationale High-Tech-Imperium mit Sitz im texanischen Houston, das 1985 aus der Fusion zweier Erdgas-Unternehmen hervorgegangen war, zählte zu den mächtigsten Unternehmen der Vereinigten Staaten. Doch im Dezember 2002 meldete der Konzern mit einem Minus von mindestens 31 Milliarden Dollar Insolvenz an. 20.000 Beschäftigte verloren ihre Arbeit, während sich die verantwortlichen Manager bis zum letzten Moment persönlich bereichert hatten. Nach dem Zusammenbruch kam einer der größten Finanzskandale der US-Wirtschaftsgeschichte ans Licht: Ein ausgeklügeltes System von Unterfirmen hatte den Börsenwert der Firma trotz immenser Schulden immer weiter in die Höhe schnellen lassen. Als sich herausstellte, dass der Konzern seinen Erfolg auf Bilanzmanipulationen, Schulden und vorgetäuschten Gewinnen gegründet hatte, stürzte der Kurs der Enron-Aktie ins Bodenlose: Investoren verloren Milliardenbeträge, Enron-Angestellte ihre gesamte Altersvorsorge, unzählige Kleinanleger/innen ihre Ersparnisse.
Alex Gibneys "Wirtschaftskrimi" basiert auf dem gleichnamigen Buch der Wirtschaftsjournalisten Peter Elkind und Bethany McLean. Gespräche mit ehemaligen Enron-Angestellten, Journalisten/innen und Politiker/innen, Nachrichtenbilder oder Filmausschnitte von Gerichtsverhandlungen, in denen sich der frühere Vorstandsvorsitzende, der Finanzchef sowie Enron-Gründer Kenneth Lay der Justiz stellen mussten, dokumentieren den spektakulären Aufstieg und Niedergang der Firma in einer auch für Laien verständlichen Weise. Besonders skrupellos ging Enron in Kalifornien vor, wo der Konzern maßgeblich an der Energiekrise im Jahr 2000 beteiligt war und Versorgungsengpässe bis hin zu kompletten Stromausfällen inszenierte, um die Strompreise in die Höhe zu treiben.
Enron – The Smartest Guys in the Room ist nicht nur eine strukturierte Chronik der hochkomplexen Skandalgeschichte, sondern auch eine beängstigende Studie darüber, was Gewinnsucht, Skrupellosigkeit und Korruption aus Menschen machen können. Deutlich zeigt der Film, dass die Schuldigen nicht nur unter den Spitzenmanagern zu finden sind. Auch die Banken, Investoren, Politiker/innen und Geschäftspartner/innen, die bei Enron kräftig mitverdienten, müssen den Betrug und die dubiose Bilanzbuchhaltung mehr oder weniger geduldet haben. Gibney forscht nach Motivationen, er will die Verantwortlichen verstehen und zeichnet somit auch ein vielschichtiges Bild menschlicher Verführbarkeit.
Autor/in: Kirsten Liese, 27.01.2007