1957 steht in San Francisco der Verleger Lawrence Ferlinghetti vor Gericht. Er hat das Langgedicht Howl des New Yorker Autors Allen Ginsberg ein Jahr zuvor veröffentlicht und muss sich nun wegen Verbreitung obszönen Schrifttums verantworten. Die Polizei hat die greifbaren Exemplare des Buchs konfisziert. Nach einem Schlagabtausch zwischen Ankläger, Verteidiger und Experten/innen wird der Verleger freigesprochen. Buch und Prozess bilden die Geburtsstunde der Beat Generation, der Autor steigt zur Ikone der US-Gegenkultur auf.
In ihrem Dokudrama beleuchten Robert Epstein und Jeffrey Friedman das Phänomen Ginsberg und setzen dem einflussreichen literarischen Werk ein filmisches Denkmal.
Howl – Das Geheul ist kein gewöhnliches
Biopic, sondern eine kunstvolle
Montage aus vier Materialquellen: einem nachgestellten Prozess, einem fiktiven Radio-Interview, einem Gedichtvortrag in einer Kellerbar und
animierten Bildern, die der Zeichner und Ginsberg-Mitarbeiter Eric Drooker als ekstatische Beat-Fantasie gestaltet. Die Komplexität des Materials wird durch die
Farbgebung betont: Während der Prozess in klaren, farbstarken Aufnahmen gezeigt wird, suggeriert der Lyrik-Vortrag in körnigem Schwarzweiß
dokumentarischen Charakter.
Der Film über den Avantgardeliteraten und sein Gedicht bietet Ansätze, im Englisch-Unterricht das Phänomen der Beat Generation und ihrer Vertreter wie etwa Allen Ginsberg und Jack Kerouac sowie ihre Folgen auf die Populärmusik (Bob Dylan, Lou Reed) zu erörtern. Es legt auch nahe, die Bedeutungsdimensionen jenseits der Expression des lyrischen Ich herauszuarbeiten, etwa den Protest gegen die technisierte Massengesellschaft und die repressive Atmosphäre der McCarthy-Ära in den USA. Für den Kunstunterricht bietet der experimentelle Film Anknüpfungspunkte zur Diskussion über die Grenzen der ästhetischen Adaption: Im Vergleich zu den provokanten Wortkaskaden des 29-Jährigen, der sich zu seiner Homosexualität bekennt, wirken die
Animationssequenzen oft banal, da sie meist bei der Bebilderung der Lyrik-Inhalte verharren.
Autor/in: Reinhard Kleber, 05.01.2011
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