Der 15-jährigeTomek lebt beengt mit seiner Schwester und den Eltern in einer tristen polnischen Kleinstadt an der Grenze zu Deutschland. Seine Leidenschaft ist die Astronomie und sein Traum ein Observatorium mit einem leistungsstarken Teleskop. Als er sich in die gleichaltrige Marta verliebt, ändert sich sein normales Teenagerleben schlagartig. Sie hat teure Wünsche. Um ihr diese erfüllen zu können, prostituiert er sich schließlich für deutsche Kunden, so wie die meisten seiner Freunde. Marta verlässt ihn aber bald für einen älteren, wohlhabenden Mann. Nachdem er von einem Freier fast tot geprügelt wurde, wandelt sich Tomek zu einem skrupellosen Zuhälter.
Ich, Tomek ist ein leiser ungeschönter Film über den Verlust der Unschuld und die materiell geprägte Suche nach Orientierung. In ruhigen Bildern verfolgt Regisseur Robert Glínski den Weg Tomeks von einem kindlich wirkenden, angepassten Jungen zum Stricher und Kleinkriminellen. An Originalschauplätzen und fast ausnahmslos mit Laiendarstellern/innen gedreht, zeigt er die harten Realitäten auf dem "Babystrich" ebenso schonungslos wie die menschliche Verwahrlosung der Protagonisten/innen. Gleichgültigkeit und Kälte des persönlichen Umfelds spiegeln sich in einer fahlen, dunklen
Farbgebung wider. Eine bewegliche
Handkamera und der weitgehende Verzicht auf einen illustrierenden
Score betonen den
dokumentarischen Gesamteindruck des Films. In einer Nebenrolle ist außerdem Defa-Legende Rolf Hoppe zu sehen.
Angesiedelt im heutigen Polen bietet
Ich, Tomek gute Ansatzpunkte, um im Unterricht spezielle gesellschaftlichen Auswirkungen des postkommunistischen Umbruchprozesses in Osteuropa zu diskutieren. Ergänzend können hier die politischen Hintergründe der EU-Osterweiterung recherchiert und analysiert werden. Weitere Anknüpfungsmöglichkeiten ergeben sich aus dem Thema Kinderprostitution sowie der universellen Problematik jugendlicher Persönlichkeitsentwicklung und Wertebildung. Den Eltern von Tomek und denen seiner Freunde/innen fehlt die Zeit, auf ihre Kinder einzugehen, die gerade in der Pubertät Orientierung und Halt suchen. So ist diese junge Generation auf sich gestellt und übernimmt das, was durch die Medien propagiert wird: Reichtum ist wichtig, Anerkennung käuflich. Der scheinbar einfachste Weg dahin ist die Prostitution. Aber der Preis, den die Jugendlichen zahlen, ist letztlich höher als sie glauben.
Autor/in: Ingrid Beerbaum, 09.06.2010
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.