Florian ist glücklich, wenn er Schlager hört und dazu mit seiner Mutter verkleidet tanzen kann. In diesen Momenten ist es nicht wichtig, dass er die Erwartungen seines Vaters überhaupt nicht erfüllt. Denn während Turmspringtrainer Hanno aus seinem dicklichen, unsportlichen Sohn einen erfolgreichen Turmspringer machen möchte, will dieser lieber Klavierspielen lernen. Florian leidet sehr darunter, dass sein Vater ihn nicht so akzeptiert, wie er ist. Viel schlimmer noch wird es, als Florians Mutter plötzlich einen Schlaganfall erleidet und ins Koma fällt. Von nun an sind Vater und Sohn noch mehr aufeinander angewiesen. Zudem verliebt sich Florian zum ersten Mal – in Radu, den Musterschüler seines Vaters.
Über die schwierige Selbstfindung eines Teenagers und einen Vater-Sohn-Konflikt erzählt Axel Ranisch in seiner autobiografisch geprägten Coming-of-Age- und Coming-Out-Geschichte. Dabei versteht er es, durch pointierte Überzeichnungen trotz aller Tragik auch immer wieder humorvoll-leicht zu wirken. So spielen vor allem die Schlager von Christian Steiffen eine wichtige Rolle, die als
diegetische Musik in die Handlung integriert sind. Sie unterstreichen durch ihre selbstironischen, offenherzigen Texte den skurrilen Charakter des Films und kommentieren zudem das Geschehen. Fließend gehen unterdessen Fantasie und Wirklichkeit ineinander über – bisweilen ganz beiläufig mittels eines
Kameraschwenks. Der Wechsel der Realitätsebene veranschaulicht entweder Florians kurze Flüchte aus dem Alltag oder aber die inneren Kämpfe von Hanno, der die sexuelle Identität seines Sohnes zunächst nicht akzeptieren kann oder mit besten Absichten für neue Probleme sorgt.
Mit großer Sympathie zeichnet Axel Ranisch seinen jungen Helden. Durch seine Sorgen und Nöte, seine Verletzlichkeit und seine nachvollziehbaren Wünsche nach Anerkennung wird er schnell zur Identifikationsfigur. Aber auch Florians Vater Hanno bleibt nicht eindimensional, sondern wird zur ebenbürtigen zweiten Hauptfigur, die sich allmählich von alten Vorurteilen verabschieden muss und doch nicht weiß, wie sie sich richtig verhalten soll. So regt der Film unaufdringlich dazu an, sich mit Coming-Out-Prozessen und den damit verbundenen Ängsten und möglichen Anfeindungen zu beschäftigen. Darüber hinaus bietet er gute Anknüpfungspunkte, um mit Jugendlichen ganz allgemein über die Notwendigkeit zu sprechen, sich von den Eltern abzugrenzen und einen eigenen Weg zu finden.
Autor/in: Stefan Stiletto, 30.10.2013
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