Der Mann auf dem Foto ist kaum zu erkennen: Die Haare sind übermalt, ein Auge auf dem Bild ausgestochen und seine Zähne geschwärzt. Der siebenjährige Stefek trägt das Bild trotzdem immer bei sich, denn es zeigt seinen Vater, der die Familie vor langer Zeit verlassen und den Stefek nie kennengelernt hat. Je häufiger der Junge in diesem Sommer einen Geschäftsmann beobachtet, der täglich am Bahnhof des kleinen polnischen Orts umsteigt, desto mehr festigt sich seine Gewissheit: Dieser Mann muss sein Vater sein. Als er diese Vermutung seiner älteren Schwester Elka erzählt, glaubt sie ihm kein Wort. Von ihr hat Stefek aber auch gelernt, wie man dem Schicksal mit einfachen Dingen wie Münzen oder Zinnsoldaten auf die Sprünge helfen kann. Und so beginnt Stefek, mit kleinen Tricks eine Kette von Ereignissen auszulösen, die den Mann in den Einkaufsladen seiner Mutter führen soll.
In dem sommerlich-leichten Film
Kleine Tricks von Andrzej Jakimowski wird die Sehnsucht eines Kindes nach einer Vaterfigur zum Ausgangspunkt für eine poetische Entwicklungsgeschichte. Wie eine nostalgische Kindheitserinnerung wirken die goldgelben, teils ausgebleichten
Farben. Dennoch bleibt der Film immer dem Blickwinkel von Stefek verhaftet. So verwandelt sich der unspektakuläre Alltag in der ländlichen Provinz allmählich in eine magische Welt, in der sogar scheinbar Nebensächliches eine große Wirkung haben kann. Die
ruhig gehaltene,
dokumentarisch anmutende Handkamera hebt solche Kleinigkeiten immer wieder mit
Nahaufnahmen hervor, lenkt die Blicke der Zuschauenden und folgt so den gewitzten Manipulationen von Stefek, mit denen er den routinierten Tagesablauf des Geschäftsmannes durcheinander bringt.
Andrzej Jakimowski beschreibt das Gefühl eines heißen Sommers, in dem die Zeit stillzustehen scheint und für Stefek dennoch die Weichen für die Zukunft gestellt werden. In diesen Schulferien merkt Stefek, dass er nicht länger nur warten muss, bis etwas passiert. Er selbst kann handeln, seine Welt mitgestalten und so irgendwie auch den Lauf der Dinge ändern. Gerade das ambivalente Ende des Films, das vieles der Interpretation der Zuschauenden überlässt, bietet zusammen mit dieser Mut machenden Botschaft gute Anknüpfungspunkte, um anhand der Veränderung von Stefek über Familien, Zusammenhalt sowie Vorbilder nachzudenken.
Autor/in: Stefan Stiletto, 22.07.2009
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