Der 17-jährige Julien hat einen Plan: Er will mit seinem Vater Paul den härtesten aller Triathlons bestreiten, den Ironman. Dass er von Geburt an körperbehindert ist, im Rollstuhl sitzt und sein Vater am liebsten gar nichts mit ihm zu tun hätte, kann ihn dabei nicht aufhalten. Auch seine übervorsichtige Mutter Claire ist ihm keine Hilfe. Und so beginnt für die ganze Familie ein Training der ganz besonderen Art, bei dem von allen physische und psychische Höchstleistungen gefordert sind. Denn es müssen nicht nur Alpenpässe auf einem umgebauten Fahrrad überwunden werden. Jeder muss für sich selbst lernen, den anderen zu akzeptieren, wie er ist. Sämtliche Energien fließen zusammen, als Julien und Paul schließlich zum großen Rennen antreten. Und allen wird am Ende klar: die wahren Hürden gibt es nur im Kopf.
Monumentale
Luftaufnahmen vom Start des Ironman France eröffnen den Film. Die besondere Atmosphäre der Höchstspannung und extremen Motivation der Athleten erfasst den Zuschauer sofort. Mitten in der Menge trifft die Kamera auf Julien. Während seine Körperbehinderung in diesem Moment die Unmöglichkeit seines Vorhabens unterstreicht, tritt sie im Laufe des Filmes immer mehr zurück. Julien erscheint als Jugendlicher wie jeder andere, der gegen seine Eltern rebelliert und sich eine Schnapsidee in den Kopf gesetzt hat. Da er jedoch ständig auf fremde Hilfe angewiesen ist, wird seine emotionale Annäherung an den Vater auch zu einer körperlichen Nähe. Dadurch kann dieser innerliche Prozess auf der Leinwand sehr bildlich miterlebt werden. Auch für die Aufbruchstimmung der Protagonisten findet der Film visuelle Pendants: aus der Enge des Familienheims, in der jeder in seiner Rolle gefangen ist, verlagert sich die Handlung mehr und mehr in die Weite der Alpenlandschaft.
Die Stellung von Behinderten in unserer Gesellschaft und die Frage nach Menschenrechten und Menschenwürde bieten sich als Unterrichtsthema für den Ethik- und Sozialkundeunterricht an. Der Film lädt ein zum Hinschauen, wo man normalerweise höflich wegsieht. Dabei können die eigenen „Behinderungen“ entdeckt werden, seien es körperliche oder geistige Blockaden. Das erleichtert den Zugang zu der Frage, wie auf dem schmalen Grat zwischen Selbstbehauptung und Rücksichtnahme in der heutigen Leistungsgesellschaft jeder seinen Platz finden und somit auch echte Inklusion stattfinden kann. Der Ironman und das harte Training werden zu einer Methapher für die Arbeit an sich selbst. Daran anknüpfend kann erörtert werden, welche Rolle die eigene Motivation auf dem Weg zur Selbstverwirklichung spielt.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Antje Knapp, 17.06.2014, Vision Kino 2014.
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