Nach Jahren der Haft kehrt Gordon Gekko, der in den 1980er-Jahren zu den erfolgreichsten Börsenspekulanten der Wall Street gehörte, in die Freiheit zurück. Scheinbar geläutert, versucht er sich als Prophet, der das Ende des völlig aus der Kontrolle geratenen Finanzsystems voraussagt. Nebenbei sucht er Kontakt zu seiner Tochter, der Umweltaktivistin Winnie. Diese aber verachtet ihn für alles, was er verkörpert. Erst über ihren Lebensgefährten, den erfolgreichen Broker Jacob, kommen die beiden wieder in Kontakt. Doch plötzlich bricht über allem die Finanzkrise herein und mischt die Karten völlig neu.
Oliver Stone erzählt in
Wall Street eine für ihn typische Mischung aus persönlichem Drama und politischer Parabel. Die Kamera vermisst in langen
Fahrten Manhattan, das Zentrum des Kapitals, schwingt sich wie der Aktienkurs in ungeahnte Höhen, um wenig später in die Tiefe der Glasschluchten zu stürzen. In Splitscreens unterteilte Bildkader geben der Rastlosigkeit und Vernetzung des modernen Kapitalismus ein Bild. Zwischen
Großaufnahmen von Gesichtern der jungen Broker, die von Zahlenströmen reflektierender Bildschirme durchzogen sind, sticht das faltige Gesicht Gordon Gekkos hervor, ein Geist aus einer anderen Zeit. Stone betrachtet dieses US-Amerika des Superkapitals zugleich zynisch und wehmütig, eine Ambivalenz, die sich auch in den melancholischen Klängen des
Soundtracks von Brian Eno spiegelt.
Vor dem Hintergrund der andauernden Finanzkrise bietet sich bei Wall Street die Auseinandersetzung mit den ethischen Aspekten des Kapitalismus an. In diesem Zusammenhang ließe sich im Vergleich zu
Wall Street, dem Vorgänger von 1987, erarbeiten, warum Stone die Figur Gordon Gekkos wieder auferstehen ließ. Es ergeben sich aber auch Möglichkeiten, über ästhetische Verfahrensweisen zu sprechen: So zeigen sich in der Vermischung dokumentarischer Aufnahmen der Finanzkrise und Computeranimationen mit der fiktiven Filmhandlung Ansätze eines postmodernen Wahrheitsverständnisses, das sich auch in anderen Filmen Stones findet. So ließe sich Wall Street auch mit
World Trade Center (USA 2006) in Beziehung setzen, um das USA-Bild des Regisseurs Stone zu analysieren.
Autor/in: Alejandro Bachmann, 19.10.2010
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