Eine Gewalttat rückte 2004 die brandenburgische Kreisstadt Beeskow ins Zentrum des Medieninteresses und machte sie so für einige Tage zur "Weltstadt": In der Nacht zum 16. Juni hatten dort zwei Jugendliche einen schlafenden Obdachlosen misshandelt und anschließend angezündet. Das Opfer überlebte mit schweren Brandverletzungen.
Weltstadt, das Spielfilmdebüt von Christian Klandt, erzählt von den Ereignissen jenes Tages, liefert jedoch keine Rekonstruktion, sondern eine Fiktionalisierung dieser 24 Stunden. Im Mittelpunkt stehen die Täter. Der aggressive Karsten ist arbeitslos und weiß mit seinem Leben nichts anzufangen. Sein sensibel wirkender Freund Till bricht seine Malerlehre ab und steht, wie viele Einwohner/innen der tristen, im Film namenlosen Stadt, vor der Frage, ob er fortziehen soll.
Der Film beginnt am Morgen nach der Tat und zeigt in einer
Kamerafahrt eine friedlich wirkende Stadt, bevor im
Rückblick die eigentliche Geschichte beginnt. Der Blick des Regisseurs richtet sich dabei auf individuelle und gesellschaftliche Umstände der Gewalttat, bleibt dabei aber einem
dokumentarisch-beobachtenden Stil verpflichtet. Armut und Perspektivlosigkeit bilden den Rahmen, innerhalb dessen die Generationen aneinander vorbei leben. Geschickte bildliche Verknüpfungen enthüllen allerdings Parallelen: Junge wie Alte kompensieren ihren Frust durch gemeinsame Trinkgelage. Vor allem bei den Jugendlichen offenbart sich in banalen, manchmal sogar heiteren Alltagssituationen ein Mangel an seelischem Halt. Improvisierte Dialoge und die rastlose Handkamera geben ihrem oft rohen Umgang untereinander authentisches Gewicht.
Weltstadt bietet eine bedrückende, aber auch sehr lebendige Momentaufnahme schwieriger Lebensumstände zwischen Hoffnung und Perspektivlosigkeit. Gegen anfängliche Skepsis der Bürger/innen von Beeskow wurde diese filmische Erinnerung an eine schnell verdrängte Tat mit kleinstem Budget realisiert. Der selbst aus Beeskow stammende Regisseur, der das Opfer wie auch einen der Täter kennt, schiebt die gängigen Erklärungsmuster vom armen, heruntergewirtschafteten Osten nicht beiseite, zeigt aber auch deren begrenzte Aussagekraft. Die Angst vor dem sozialen Abstieg, den der Obdachlose verkörpert, ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Für die notwendige Diskussion um die Frage, warum gerade Jugendliche ihr Gewaltpotenzial immer wieder gegen Schwächere richten, liefert der Film wichtige Anhaltspunkte.
Autor/in: Philipp Bühler, 04.11.2009
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