Ein politischer Film über Kolumbus
Costa und Sebastián beim Casting
Sebastián, ein junger spanischer Regisseur, reist mit seiner Filmcrew nach Bolivien, um einen Historienfilm zu drehen. Er hat sich vorgenommen, die wahre Geschichte der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus und der grausamen Unterwerfung der Ureinwohner/innen zu erzählen. Sein Produzent Costa hat in der Provinzmetropole Cochabamba einen geeigneten Drehort gefunden. Zwar liegt die Stadt fernab der historischen Schauplätze in der Karibik, doch die niedrigen Löhne für Arbeiter/innen und indigene Statisten/innen gleichen dieses Manko in Costas Augen allemal aus.
Eine Frage des Engagements
Daniel kämpft für seine Rechte
Die Dreharbeiten lassen sich zunächst gut an, zumal mit Daniel vor Ort ein idealer Darsteller für den Indio-Anführer Hatuey gefunden wird. Doch beschränkt sich dessen rebellischer Geist nicht nur auf seine Filmrolle: Er entpuppt sich als Wortführer einer Revolte, die gegen die Machenschaften eines multinationalen Konzerns ankämpft, der die regionale Wasserversorgung gekauft hat. Nach heftigen Preiserhöhungen verbietet dieser nun sogar das Auffangen von Regenwasser. Produzent Costa befürchtet, Daniels Engagement könne das Filmprojekt gefährden. Nicht zu unrecht, denn als der Konflikt bürgerkriegsähnliche Züge annimmt, wird Daniel verhaftet. Und so stehen Costa und Sebastián vor einer schwer wiegenden Entscheidung: Nutzen sie ihre Kontakte zu den Machthabern, um ihren Film zu beenden? Oder erklären sie sich solidarisch mit Daniel und seinen Kampf?
Das Heute und das Gestern
Und dann der Regen - También la lluvia ist ein kraftvolles und vielschichtiges Werk, das nicht von ungefähr an die sozialkritischen Filme eines Ken Loach (
It's a Free World, England, Italien, Deutschland, Spanien 2007) erinnert: Immerhin arbeitet Drehbuchautor
Paul Laverty seit Mitte der 1990er-Jahre mit dem britischen Regisseur eng zusammen, während Regisseurin Icíar Bollaín einst in Loachs
Land and Freedom (Großbritannien, Spanien, Italien, Deutschland 1995) mitspielte.
Und dann der Regen thematisiert den "Wasserkrieg von Cochabamba", der im Jahr 2000 Schlagzeilen machte, indem er den dramatischen Konflikt so zeigt, wie Costa und Sebastián ihn als Europäer wahrnehmen. Doch Bollaín thematisiert nicht nur die Benachteiligung der Indigenas in der globalisierten Welt. Über die Ebene des "Films im Film" spannt sie vielmehr einen Bogen zur blutigen Kolonisation Lateinamerikas und verleiht dem Film somit ernorme Komplexität. Sie hinterfragt zugleich Realität und Anspruch ambitionierter Kinoprojekte, die unter kommerziellen Bedingungen in Entwicklungsländern entstehen.
Film im Film
Dass der Film trotz solcher Parallelisierungen nur selten konstruiert wirkt, liegt auch an Alex Cataláns Kameraarbeit. Seine Handkamera fängt die Erlebnisse des Filmteams in mitunter
entfärbt wirkenden Bildern von beinahe dokumentarischer Intensität ein. Sie stehen im spannungsreichen Kontrast zu den vom
Grün des Waldes gesättigten
Sequenzen des Kolumbus-Films, denen der natürliche Schauplatz und die Laiendarsteller/innen eine ungeheure Glaubwürdigkeit und Präsenz verleihen. Es sind Szenen, die an Werner Herzogs berühmte Urwald-Filme
Aguirre, der Zorn Gottes (BRD 1972) und
Fitzcarraldo (BRD 1982) erinnern – zwei Meisterwerke, die ähnlich zwiespältige Gefühle wecken hinsichtlich westlicher Filmproduktionen in Lateinamerika. Wie fein das visuelle Konzept von
Und dann der Regen ausgearbeitet ist, zeigt sich auch daran, dass die Mitglieder des Filmteams außerhalb der Drehzeiten fast nur in Innenräumen gezeigt werden. Statt sich mit der aktuellen Situation vor Ort auseinanderzusetzen, sind sie auf sich selbst fixiert. So sind Albert und Juan, die in ihren Rollen als spanische Mönche mutig für die Ureinwohner/innen eintreten, in der Realität die Ersten, die angesichts der sich zuspitzenden Ereignisse abreisen wollen. Der anfangs so idealistisch wirkende Sebastián hingegen erscheint zunehmend wie ein Gefangener seiner Vision. Daniels Überzeugung, es gäbe Wichtigeres als einen Film, teilt er offensichtlich nicht.
Geschichte einer Läuterung
Maria und Costa am Filmset
Eine Ausnahme im Team bildet die Assistentin Maria, die mit ihrem Camcorder Material für ein Making-of sammelt und dabei auf die Notlage der Einheimischen aufmerksam wird. Ihre Idee, darüber einen
Dokumentarfilm zu drehen, lehnt Costa schroff ab: "Wir sind keine NGO." Dennoch ist er es, der als Einziger eine Läuterung erfährt. Als es darauf ankommt, beweist Costa Mut und Menschlichkeit – weil er, wenn auch gezwungenermaßen, eine Beziehung zu Daniel und dessen Familie aufgebaut hat.
Und dann der Regen ist insofern auch ein Plädoyer dafür, sich mit der Lebenswirklichkeit von Menschen auseinander zu setzen und Solidarität durch Taten zu beweisen. Ein Aufruf, der sich genauso an Filmemacher/innen richtet wie an das Publikum im Kino.
Autor/in: Jörn Hetebrügge, Autor und Journalist mit Themenschwerpunkt Film, 22.12.2011
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