Das Interview führte Volker Thomas.
Interviewpartner: Dr. E. Pott
Szene aus dem Film "Fickende Fische"
Safer Sex oder lieber gar kein Sex – sind die jungen Leute wegen der Aids-Kampagne prüde geworden?
Es gibt keinen Beleg dafür, dass junge Menschen (oder auch ältere Erwachsene) wegen der Aids-Kampagne "prüde geworden" seien. Alle Zahlen, die wir regelmäßig und repräsentativ erheben, zeigen, dass sich das Sexualverhalten nicht grundsätzlich verändert hat. Geändert hat sich das Schutzverhalten, d. h. es gibt heute weit verbreitete Kondomnutzung bzw. Safer Sex zum Schutz vor Ansteckung mit HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.
Lässt das Risikobewusstsein bei jungen Menschen in Deutschland, die heterosexuell leben, nach?
Tatsächlich lässt sich feststellen, dass es in den letzten Jahren keinen weiteren Anstieg des Schutzverhaltens in Deutschland wie bis Mitte der 90er Jahre gegeben hat. Teilweise gab es, auch im heterosexuellen Bereich, leichte Rückgänge, die jedoch nicht als statistisch signifikant zu bewerten sind. Immerhin ist es gelungen, den starken Rückgang der Reichweite der Aids-Kampagne – ein Drittel der Bevölkerung wird heute durch Aufklärungsangebote nicht mehr erreicht – durch neue Ansätze und Partnerschaften zu kompensieren. Während z. B. in den öffentlich-rechtlichen Sendern die Fernsehspots zur Aids-Aufklärung kaum noch ausgestrahlt werden, ist die Bereitschaft zur Ausstrahlung der TV-Spots bei einigen privaten Sendern deutlich gestiegen.
Wie groß ist die Gefahr für Heteros, sich anzustecken?
Grundsätzlich stellt jeder Kontakt mit einem unbekannten Partner eine Gefahr dar. Nach den vorliegenden Zahlen des Robert-Koch-Instituts beträgt – bei gleichbleibender Gesamtzahl der Neuinfektionen (im Jahr 2001 ca. 2000 gemeldete Fälle) – der Anteil der heterosexuellen HIV-Infektionen 18%, während der Anteil der Infektionen bei Männern, die mit Männern Sex haben, bei 50% und der der Drogen-Nutzer bei 10% liegt.
Besteht ein Bewusstsein für die Gefahren, die eine weitere Ausbreitung von Aids insbesondere in Osteuropa mit sich bringt?
Nach unseren Untersuchungen ist die Zahl der Reisenden und Urlauber, die sich bei sexuellen Kontakten im Ausland bzw. auf Reisen schützen, ganz besonders hoch. Dies deutet auf eine differenzierte Risiko-Wahrnehmung hin. Auf Seiten der Experten und Multiplikatoren gibt es nach unserer Beobachtung ein klares und wachsendes Bewusstsein für die Gefahren der globalen HIV-Ausbreitung und insbesondere der Problematik in Osteuropa und Asien.