Ajami ist ein Viertel im israelischen Küstenort Jaffa, einer der ältesten Städte der Welt. Im Gegensatz zur benachbarten jüdisch dominierten Metropole Tel Aviv ist Jaffas Bevölkerung gemischt: Juden, Moslems und Christen begegnen sich hier täglich. Eines Tages gerät der Moslem Omar ins Visier einer Beduinenfamilie auf Rachefeldzug. Omars Chef Abu Elias, ein christlicher Restaurantbetreiber, handelt ihn gegen Schutzgeld frei und unterstützt auch den palästinensischen Flüchtling Malek. Doch dann lassen sich Omar und Malek auf einen Drogenhandel ein. Der jüdische Polizist Dando, dessen Bruder in den palästinensischen Gebieten verschwunden ist, nimmt ihre Spur auf. Zudem bricht Omar ein religiöses Tabu: Er ist als Araber mit der Tochter von Abu Elias, einer Christin, liiert.
In ihrem Spielfilmdebüt zeigt das arabisch-jüdische Regieduo Scandar Copti und Yaron Shani, wie die politischen und religiösen Spannungen des Nahost-Konflikts den Alltag in Ajami bestimmen. Anhand von fünf Kapiteln blicken die Regisseure jeweils aus unterschiedlichen religiösen und kulturellen Perspektiven – muslimisch, christlich, jüdisch – auf einen Kriminalfall mit weitreichenden Zusammenhängen. Einen Schuldigen benennt der Film nicht, sondern verdeutlicht die fatalen Auswirkungen von Gewalt auf jeden Einzelnen. Die Komplexität des Nahost-Konflikts und das Gefühl des Ausgeliefertseins spiegeln sich formal in der multiperspektivischen, zerklüfteten Erzählstruktur des Films wieder.
Obwohl im hohen Grade konstruiert, erlaubt die spannungsvoll verschachtelte Handlung des Films Rückschlüsse auf die reale und komplizierte Lebenssituation im Stadtteil Ajami. Ausgehend von den verschiedenen Konfliktsituationen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, lassen sich Chancen und Probleme der multikulturellen, zweisprachigen Gegenwart Israels erarbeiten. Zudem weckt
Ajami Neugier, mehr über die Geschichte der Region und über den Nahost-Konflikt zu erfahren, um den im Film präsentierten Figurenmix, das Gewaltpotenzial und die Zwangslagen zu verstehen. Hierfür bietet Jaffa als Schauplatz des Geschehens vielfältige Recherche- und Diskussionsmöglichkeiten: Anhand der Bedeutung der Stadt für Religion, Mythologie und Geschichte kann die wechselvolle Vergangenheit des Nahen Ostens lebendig nachvollzogen werden. Je nach Wissenstand der Schüler/innen ist eine Einführung in die Thematik vor Sichtung des Films empfehlenswert.
Autor/in: Marguerite Seidel, 09.03.2010
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