Eine Bewerbung pro Tag, das ist die Abmachung, die der arbeitslose Armin mit seinen Eltern getroffen hat. Den Realschulabschluss in der Tasche, weiß der 18-Jährige nicht viel mit sich anzufangen. Lethargisch hängt er tagsüber in seinem Zimmer herum oder quält sich mit absurden Bewerbungsgesprächen. Er weiß nicht, was ihn am Beruf des Reisekaufmanns reizen soll, außer dass er damit seine Familie zufrieden stellen würde. Nachts hingegen wird Armin aktiv, durchstreift das graue Niemandsland an der Autobahn. Hier stößt er eines Abends auf einen verunglückten Sportwagen. Die zerquetschte Karosse steht dampfend an der Leitplanke, der Fahrer hängt leblos über dem Lenkrad. Mit analytisch kaltem Blick inspiziert Armin die Situation und nimmt ein Wrackteil, die Lenkstange des Autos, mit nach Hause. Warum, scheint er selbst nicht zu wissen. Am nächsten Morgen wird aus dem täglichen Bewerbungsschreiben der erste von vielen Bekennerbriefen: "Der Unfall war meine Schuld."
Eine Mischung aus Phlegma, Leere und häuslicher Enge umhüllt Armin wie ein undurchdringlicher Kokon. Die Überfürsorge der Mutter, die Strenge des Vaters und die vorbildhaften Brüder machen es dem Jugendlichen unmöglich, seinen eigenen Platz im Leben zu finden. Er sucht Kontakt zur hübschen Nachbarstochter und träumt von homosexuellen Begegnungen auf der Autobahntoilette. Mit großer Intensität bringt Regisseur und Drehbuchautor Christoph Hochhäusler Armins Sinnsuche auf die Leinwand: die Freudlosigkeit der kleinen Provinzstadt, die sonntägliche Familienrunde, in der die älteren Brüder am Kaffeetisch die hübschen Freundinnen vorzeigen und aus ihrem erfolgreichen Leben plaudern. Armin scheint das alles nichts anzugehen, verstockt hängt er in den Sofakissen und starrt ins Leere. All die Wünsche und Ansprüche der anderen machen ihn handlungsunfähig. Um seine gefühlte Bedeutungslosigkeit wegzuwischen, bekennt sich Armin als Attentäter schrecklicher Unfälle. Der selbst ernannte Gewalttäter übernimmt plötzlich Verantwortung für Dinge, die er gar nicht verursacht hat, eine Verantwortung, die er im seinem eigenen Leben nicht zu haben scheint. Hochhäuslers Film zeigt die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens in Zeiten grassierender Zukunftsangst sowie die prekären Auswirkungen der Gleichstellung von Arbeitslosigkeit mit Bedeutungslosigkeit.
Falscher Bekenner weist keinen grundsätzlichen Weg aus dem Dilemma, er macht es aber hautnah erlebbar.
Autor/in: Dinah Münchow, 21.10.2006