Mit seiner Mutter Yvette lebt der 14-jährige Pim in einem verlassenen Dorf an der belgischen Nordseeküste der 1960er-Jahre. Während Yvette nachts als Akkordeonspielerin in einer Bar auftritt, mit Männern flirtet und ihrem Sohn nur wenig Aufmerksamkeit entgegenbringt, macht der Junge mit dem drei Jahre älteren Gino seine ersten sexuellen Erfahrungen. Für Pim ist Gino nicht nur der beste Freund, sondern auch die erste Liebe – als Gino nach Dunkerque zieht und dort eine Freundin findet, leidet Pim an Liebeskummer, den die Annäherungsversuche von Ginos Schwester Sabrina nicht mildern können. Erst als der Schausteller Zoltan ein Zimmer bei Pim und seiner Mutter bezieht, hegt der Heranwachsende neue Hoffnung.
Das Langfilmdebüt des flämischen Filmemachers Bavo Defurne, der bislang mit seinen Kurzfilmen auf Festivals reüssierte, zeichnet sich vor allem durch seine gesetzte Erzählweise aus. Mit unbewegten, sorgfältig ästhetisierten Kameraeinstellungen und einem wohldosierten Einsatz von
Musik und Dialogen entfaltet
Noordzee, Texas einen gemächlichen Rhythmus, der die beengende Atmosphäre in der belgischen Provinz und Pims seelischen Kummer vorrangig über das Visuelle vermittelt. Auf diese Weise entwickelt das
Coming-of-Age-Drama eine höchst filmische, stellenweise poetische Qualität, die von kleinen Gesten, liebevollen Details und der akkuraten 1960er-Jahre-Ausstattung lebt. Auf der erzählerischen Ebene verschenkt der Film dagegen bisweilen dramatisches Potential.
Thematisch kreist die Adaption des flämischen Jugendbuchs
Nooit gaat dit over von André Sollie um zeitlose Fragen des Erwachsenwerdens, um das Aufkeimen der eigenen Sexualität und unerwiderte Liebe. Damit liefert er gute Anknüpfungspunkte, um mit Schülern/innen solche entwicklungsrelevanten Themen zu diskutieren, zudem der von Jelle Florizoone einnehmend verkörperte Pim eine sympathische Identifikationsfigur darstellt. Hinzu kommt die Homosexualität des Jugendlichen, die insbesondere in der Provinz aus dem gesellschaftlichen Raster fällt und die Fragestellung ermöglicht, inwieweit unkonventionelle Lebensentwürfe und Interessen in einem konservativen Umfeld auf Widerstände stoßen können. Da
Noordzee, Texas in erster Linie auf die Ausdruckskraft seiner Bilder setzt, offeriert er zudem interessante Möglichkeiten, die Ausdrucksformen filmischen Erzählens zu analysieren.
Autor/in: Christian Horn, 07.05.2012
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