Kinostart: 12.10.2017 Verleih:X Verleih AG Regie und Drehbuch: Michael Haneke Darsteller/innen: Isabelle Huppert, Jean-Louis Trintignant, Mathieu Kassovitz, Fantine Harduin, Franz Rogowski, Toby Jones, Laura Verlinden u. a. Laufzeit: 107 min, Dt. F., OmU Format: Digital, Farbe Barrierefreie Fassung: ja Filmpreise: Internationale Filmfestspiele Cannes 2016: Wettbewerb FSK: ab 12 J. Altersempfehlung: ab 16 J. Klassenstufen:ab 11. Klasse Themen:Familie, Entfremdung, Werte, Gesellschaft, Migration, Gewalt, Selbstmord, Filmsprache Unterrichtsfächer:Deutsch, Ethik, Sozialkunde, Kunst, Französisch, Psychologie, Religion
Es beginnt mit Handy-Aufnahmen, in der die zwölfjährige Ève die letzten Minuten ihres Hamsters filmt, dem sie zuvor Tabletten ins Essen gemischt hat. Aus dem Off kommentiert sie den Todeskampf. Mit einer Überdosis Tabletten wird kurz darauf auch ihre Mutter ins Krankenhaus eingeliefert. Ève zieht zu ihrem Vater nach Calais und wird damit Bestandteil einer durch ein großes Bauunternehmen zu Reichtum gelangten Großfamilie. Sie erlebt, dass die Familie zwar wohlhabend und gebildet, aber emotional unfähig ist. Die Tante eine kalte Firmenchefin, ihr Sohn ein undiplomatischer Choleriker mit Alkoholproblemen, Èves Vater zur Liebe unfähig und der Großvater scheitert bei seinen Versuchen, aus dem Leben zu scheiden. Die emotionale Kälte innerhalb der Familie findet ihre Fortsetzung im Verhältnis zur Außenwelt: Die Verbindungen zur Gesellschaft sind geprägt von Rationalität und Geschäftssinn; einzig auf den eigenen Vorteil bedacht, ohne Mitgefühl für die Situation der Anderen. Oder wie Regisseur Michael Haneke es formuliert: "Rundherum die Welt und wir mittendrin, blind."
Der neue Film des preisgekrönten österreichischen Autorenfilmers Michael Haneke folgt in vielerlei Hinsicht Themen und filmischen Leitmotiven seiner bisherigen Werke, von Bennys Video über Caché bis hin zu Liebe. In einer Mischung aus Drama und Farce folgt der Regisseur elliptisch erzählend den Mitgliedern der Familie und inszeniert sie in distanzierten Bildern. Bemerkenswert ist vor allem die statische Kamera, die häufig ganze Sequenzen aus einer entfernten Position betrachtet, und damit dem Zuschauer die Einordnung des Geschehens überlässt. In diesem Zusammenhang ebenfalls auffällig ist der zurückhaltende Einsatz von Musik, die nur dann einsetzt, wenn sie auch von den Figuren selbst gehört wird. Schüler/-innen, die eine konventionell erzählte Genre-Geschichte erwarten, sollten auf diese typischen Merkmale von Haneke-Filmen vorbereitet werden.
Für eine anspruchsvolle filmpädagogische Arbeit im Oberstufenunterricht ergibt Happy End durch seine Offenheit zur Interpretation und die herausfordernde Inszenierung vielfältige Anknüpfungspunkte. Ausgehend von den spontanen Reaktionen der Schüler/-innen können die Themen besprochen werden, die ihrer Meinung nach vorrangig sind. Im Deutschunterricht lohnt eine Figurenanalyse der Familie, auf der basierend eine Auseinandersetzung mit der filmischen Form und insbesondere der Inszenierung emotionaler Kälte geschehen kann. Der Schauplatz des Films, die mit der Flüchtlingskrise auf besondere Weise konfrontierte Hafenstadt Calais, ermöglicht eine Diskussion darüber, welche Haltung Michael Haneke mit seinem Film zur Flüchtlingskrise einnimmt. Dabei gilt es, ethisch-moralische als auch politische Implikationen des Films herauszuarbeiten. Zugleich ergeben sich Diskussionsmöglichkeiten, auf welche klassenkulturellen Unterschiede in der französischen Gesellschaft der Film Bezug nimmt.
Dieser Text ist eine Übernahme des VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Michael Jahn, 06.10.2017, Vision Kino 2017.