In einer der ärmsten Regionen Indiens arbeitet Jacob als Leiter eines Waisenhauses, das aus Geldmangel von der Schließung bedroht ist. Jørgen, ein dänischer Geschäftsmann, lockt mit einem großzügigen Spendenangebot. Er stellt allerdings die Bedingung, dass Jacob den Vertrag in seiner alten Heimat unterzeichnen muss, die er aus persönlichen Gründen seit 20 Jahren gemieden hat. Der Waisenhausleiter kann das Anbot nicht ausschlagen. Als sich die Vertragsunterzeichnung in Dänemark verzögert, lädt der Mäzen Jacob zur Hochzeit seiner Tochter Anna ein. Deren Mutter Helene entpuppt sich als Jacobs Jugendliebe, die den einstigen Säufer, Schürzenjäger und Junkie vor 20 Jahren in Indien verlassen hatte. Dass Helene damals von ihm schwanger war, wusste Jacob nicht. Aber während der Hochzeitsfeierlichkeiten ahnt er, dass Anna seine Tochter ist. Doch dies sind nicht die einzigen schockierenden Ereignisse, die das Leben aller Beteiligten verändern und Jacob vor eine schwere Entscheidung stellen.
Nach
Open Hearts (2002) und
Brothers – Zwischen Brüdern (2004) erzählt Susanne Bier erneut von der abrupten Veränderung eines Lebenswegs, von der Liebe und davon, wie ein Mensch ohne eigenes Wissen schuldig werden kann. Die puristischen Regeln der von ihrem Landsmann Lars von Trier begründeten Dogma-Schule – keine Musikuntermalung oder zusätzliches Licht –, nach denen
Open Hearts gedreht wurde, hat sie weit hinter sich gelassen. Geblieben ist die Stärke des Geschichtenerzählens, der Blick hinter die Fassade, die Lust an der Brüchigkeit von Beziehungen: Lebenslügen und Verrat lauern unter der glatten Oberfläche und wirbeln das scheinbar geordnete soziale und familiäre Gefüge durcheinander. Was anfangs noch wie eine Studie sozialer Gegensätze wirkt – Armut und Bildungsnotstand in Indien, Luxus und Reichtum in Dänemark – entwickelt sich zum aufwühlenden Familiendrama und zur Konfrontation des Individuums mit existenziellen Fragen. Denn der sozial engagierte Jacob muss sich seiner verdrängten Vergangenheit stellen. Im Gegensatz zu damals übernimmt er nun Verantwortung, nicht nur für die indischen Waisenkinder, sondern auch für die Menschen zu Hause in Dänemark, denen er sich erneut anzunähern versucht. Wie schon in Biers früheren Filmen sind es wieder die Kinder, die in ihrer Naivität den Gang der Dinge erspüren und der Wirklichkeit ins Auge sehen. Nach der Hochzeit überzeugt mit eindringlichen Darstellern/innen und Figuren, die nicht auf den ersten Blick sympathisch sind, sondern die Zuneigung der Zuschauenden sukzessive erobern. Susanne Biers Film erzählt von den Schwierigkeiten, zu sich selbst zu finden, vom Umgang mit dem Tod und der Notwendigkeit, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Zugleich macht er Hoffnung, die eigenen Dämonen zu besiegen.
Autor/in: Margret Köhler, 02.02.2007