Liverpool in den 1950er-Jahren. Der 15-jährige John ist bei seiner Tante Mimi aufgewachsen. Durch Zufall erfährt er, dass seine leibliche Mutter nur wenige Straßen entfernt wohnt. Weil er nie verstanden hat, warum sie ihn vor elf Jahren fortgegeben hat, will er sie besuchen – gegen den Mimis Willen, die ihre Zuneigung hinter strengen Regeln verbirgt. Johns Mutter Julia ist ganz anders, modern, lebensfroh und musikbegeistert. Sie ist es, die John seine erste Gitarre schenkt. John weiß nicht mehr, wohin er gehört. Sicher ist nur, dass er das Talent zum Musiker hat.
In ihrem Spielfilmdebüt erzählt die Künstlerin und Fotografin Sam Taylor Wood von John Lennons Jugendjahren als
Coming-of-Age-Geschichte, die den Gründungsmythos der Beatles streift, ohne den Bandnamen auch nur ein einziges Mal zu nennen. Zwar fließen am Rande Hinweise auf die spätere Beatles-Karriere in diese Erzählung ein, wenn etwa in der Eröffnungsszene neben dem Park eines Kinderheims eine Plakette mit der Aufschrift "Strawberry Fields" zu sehen ist. Doch im Mittelpunkt steht der junge John: ein Jugendlicher, der lieber Spaß hat als sich um die Schule zu kümmern, gegen die Autoritäten rebelliert und seinen eigenen Weg sucht.
Dieser Prozess der Sinnfindung verläuft vor dem popkulturellen Hintergrund der späten 1950er- und frühen 1960er-Jahre, in denen der Rock 'n' Roll das Verhalten der Jugendlichen, die Mode und das Verhältnis zwischen den Generationen grundlegend veränderte. Bildlich stellt der Film dieses Aufeinanderprallen zweier Welten vor allem durch die Kostüme und das Szenenbild dar, das muffig-düster wirkende Haus von Mimi einerseits und die aggressiv-lebensfrohen
Farbgestaltung im Umfeld von Julia. So vermittelt der Film auf unterhaltsame Art ein treffendes Bild für den gesellschaftlichen Wandel, der im Unterricht behandelt werden kann. Darüber hinaus bietet Johns Entwicklungsprozess als Jugendlicher, der sich nach Geborgenheit sehnt und sich zugleich von den Erwachsenen lösen will, gute Möglichkeiten, mit Schüler/innen Probleme der eigenen Identitätsfindung zu diskutieren. Nicht zuletzt regt
Nowhere Boy zur Beschäftigung mit dem Mythos John Lennon und der Rolle der späteren Beatles für die Jugendkultur an.
Autor/in: Stefan Stiletto, 07.12.2010
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