Tote als Erfolgsquote
Nick Naylor ist clever, smart und dreht einem das Wort im Munde herum: ein Mann für die Promotion, eine Mischung aus Berater und Rhetorik-Genie. "Erst kam Attila. Dann Dschingis Khan und dann ich. 1.200 Tote pro Tag, das sind zwei Jumbo Jets", führt er sich trocken in diese bissige Komödie ein. Tote als Erfolgsquote – das passt zum Pressesprecher der Akademie für Tabakstudien. Hartgesotten stellt sich Naylor jeder Peinlichkeit und unliebsamen Begegnung – etwa einer TV-Talkshow gegen die Gefahren des Rauchens. Neben angriffslustig moralisierenden Vertretern/innen der Nichtraucherfraktion sitzt auch der krebskranke 15-jährige Robin in der Runde, der, inzwischen kahlköpfig, immerhin das Rauchen einstellte. Schlechte Karten für Naylor und die Tabakindustrie. Doch er nimmt die Herausforderung sportlich: "Unser Interesse ist, dass Robin möglichst lange lebt und weiter raucht. Nur die Anti-Raucher-Liga will, dass Robin stirbt". Das klingt logisch und provokant. Applaus im Studio – Punktsieg für Naylor.
Ein Meister der Rhetorik
Naylor redet, manipuliert und kennt keine Skrupel, Hauptsache, sein Honorar stimmt. Mag er noch so schlechte Argumente haben, umso unverfrorener serviert er sie und beeindruckt mit dubiosen Forschungsergebnissen, Unterstellungen und anderen Tricks aus dem Rhetorikarsenal. Darin ist Naylor ein Ass und kann zumindest in den USA damit rechnen, dass ihm mit diesem Talent so manches verziehen wird.
Thank You For Smoking präsentiert diesen Nick Naylor als modernen Helden, der es als persönliche Herausforderung begreift, ausgerechnet der Tabakindustrie wieder ein besseres Image zu verschaffen. Sein Gegenspieler ist Senator Finistirre aus Vermont, der zukünftig Zigarettenschachteln mit einem Totenschädel kennzeichnen will, mit der Begründung, Symbole seien besser als Worte, "sonst könnten ja diejenigen, die kein Englisch sprechen, meinen, dass sie sterben sollen."
Vater und Sohn
Der Titel der Komödie mag zwar eine Anspielung auf die in den USA omnipräsenten Nichtraucherschilder sein, doch der Film ist meilenweit davon entfernt, den Raucherinnen und Rauchern eine Bresche zu schlagen. Er plädiert vielmehr für eigenständige Meinungsbildung, Toleranz und die Kraft der Argumente. Dass man das bereits als Kind lernen kann, demonstriert Joey, der zwölfjährige Sohn Naylors. So misstrauisch Joey als kluger Vorpubertierender auch sein mag, er bewundert seinen Vater umso mehr, als dieser ihn lehrt, dass man immer im Recht sei, solange man nur richtig argumentiere. Diese Lektion probiert Joey prompt bei seiner Mutter aus, damit er seinen Vater auf einer Reise begleiten darf. So erlebt er unmittelbar mit, wie methodisch Naylor vorgeht: Mal überreicht er einem vom Krebs bereits zerfressenen ehemaligen Darsteller für Marlboro-Werbung einen Koffer Schweigegeld, mal macht er einem Hollywoodproduzenten ein Filmprojekt schmackhaft, in dem mit aller Hingabe geraucht werden soll. Eine Paradeszene für Naylors Überzeugungskunst: Da derzeit nur Psychopathen und Europäer rauchend im Film gezeigt würden, schlägt er vor, die Handlung in die Vergangenheit oder noch besser in die Zukunft zu katapultieren, in der Zigaretten vielleicht nicht mehr so gesundheitsschädlich seien.
Die Ironie im Detail
Sprachlich zieht der Film alle Register. Besonders Naylors regelmäßige Zusammenkünfte mit einem befreundeten Kollegen und einer befreundeten Kollegin von der Alkohol- und Waffenlobby sorgen für rhetorische Glanzleistungen. Gewürzt mit haarsträubenden Fakten und Anekdoten konkurrieren die Drei vom TAG-Team ("Tod aber gut") – im Original dem MOD Squad ("Merchants of death", Händler des Todes) – mit forschem Sprachduktus um den Titel des teuflischsten Agenten. Keine Frage, wer der Gewinner ist. Intelligente Dialoge und viel schwarzer Humor zeichnen die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Christopher Buckley durch Jason Reitman aus. Das Spielfilmdebüt des 29-jährigen Sohns von Ivan Reitman (
Ghostbusters, 1984;
Evolution, 2001) ist mit Aaron Eckhart als Nick Naylor und Cameron Bright als Joey glänzend besetzt. Auch stilistisch wirkt sein Film gut durchdacht. Die Bilder haben einen passenden warmen Tabak-Ton, sind an die Ästhetik des Werbefilms angelehnt und fordern von den Zuschauenden ganz subtil eine gewisse Distanzierung, wenn nicht auch sie diesem Mephisto der Öffentlichkeitsarbeit auf den Leim gehen wollen. Klug verzichtet Reitman auf billige Signale – bis auf den "Captain" der Tabakindustrie raucht keiner in seinem Film – und setzt dafür auf Ironie in kleinen Details. So verkündet das Schild an der Wand des TAG-Stammtisches: "Seid stolz auf Amerika – wir haben die beste Regierung, die man kaufen kann".
Intelligente Unterhaltung
Weil Naylor die Geschichte aus der Perspektive eines Ich-Erzählers schildert und damit zum Sympathieträger wird. In besonders brenzligen Situationen stoppt Reitman sogar den Fortgang der Handlung und lässt seinen Hauptdarsteller die Szene kommentieren. Eingefügte Symbole aus der Werbung und dem Common-Sense-Bereich sorgen dafür, die Tragweite des Gesagten bereits auf der intuitiven Ebene schnell zu erfassen. Mit stilistischen Mitteln aus dem Werbefilm weiß
Thank You For Smoking prächtig und intelligent zu unterhalten. Eine Satire vom Kaliber
Wag the Dog ist die Komödie dennoch nicht geworden, dazu ist sie nicht bissig genug. Denn was Reitman hier auf die Spitze treibt, ist in der Wirtschaft und in den Medien längst gängige Praxis, ihm fehlt leider die Vision für alles, was über diese glänzende Bestandsaufnahme hinausgeht.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 11.10.2006