Hintergrund
Coppola und sein Film Apocalypse Now Redux
Apocalypse Now Redux
Wer erinnert sich von den Älteren nicht an Apocalypse Now, an Captain Willard, der Colonel Kurtz im schmutzigen Vietnamkrieg liquidieren sollte, an Martin Sheen und Marlon Brando als unerbittliche Gegenspieler im Dschungel? Keine Kritik des Krieges war so rigoros, so knallhart, so desillusionierend wie die in diesem "Klassiker" aus dem Jahre 1979. Der Film setzte schon bei Erscheinen neue Maßstäbe im Ton, war der erste Kinofilm im Dolby-Stereo-Surround-Format auf 70 Millimeter.
Motivation für eine digitalisierte Neufassung
Francis Ford Coppola, der damals die "Goldene Palme" für sein Meisterwerk erhielt, triumphiert 22 Jahre später noch einmal an der Croisette mit einer über dreistündigen und um 53 Minuten längeren Version gegenüber der ursprünglichen Kinofassung. Es ist allerdings nicht ganz richtig, hier von einem "Director's Cut" zu sprechen, denn auch bei der ersten Fassung hatten Coppola und sein Cutter Walter Murch, der auch für den Ton verantwortlich zeichnete, freie Hand. Was hat den Kultregisseur motiviert, nach über zwei Jahrzehnten eine digitalisierte Neufassung vorzulegen? "Der erste Entwurf dauerte schon fast vier Stunden. Was dann sehr viel kürzer ins Kino kam, war ein Kompromiss mit Konzessionen an die traditionelle Struktur des Antikriegsfilms und den Mainstream-Geschmack. Ich glaube, die neue Version ist interessanter, manchmal sogar etwas komischer und romantischer. Und trotz der Länge wirkt sie irgendwie schneller. An diesem Film war damals alles 'oversized', die Vorbereitung, die Produktion, die Dreharbeiten, der Schnitt. Als ich mich dann mit Walter Murch im Jahr 2000 an die Arbeit machte, haben wir nicht nur Szenen eingefügt, die in der ersten Fassung schweren Herzens herausfielen, sondern einen kompletten Neuschnitt gefertigt. Der neue Film entspricht total meinen Vorstellungen, das Ende hat sich nicht geändert, ist aber besser nachvollziehbar."
Francis Ford Coppola (rechts) im Gespräch mit Marlon Brando
Vergangenheit und Zukunft
Coppola 1979 nach der Cannes-Premiere: "Mein Film ist eigentlich kein Film. Er handelt nicht von Vietnam. Er ist Vietnam. So war es wirklich. Die Dreharbeiten spiegeln wider, wie es den Amerikanern in Vietnam erging. Wir waren mitten im Dschungel, hatten zuviel Geld, zuviel Equipment und wurden nach und nach verrückt." Coppola 2001: "'Apocalypse Now' will dem Kinopublikum einen komplexen und realistischen Eindruck von dem brutalsten, moralisch zweifelhaftesten Krieg vermitteln, den die USA je führten. Die ältere Kurzfassung vermochte dies nur sehr bedingt." Coppola würde auch nicht jeden Film in verschiedenen Versionen schneiden: "'Apocalypse Now' ist ein Ausnahmefall, aber wir hatten 1979 auf so viel Material verzichtet, dass sich ein längerer Neuschnitt einfach anbot. Im Allgemeinen bin ich jemand, der in die Zukunft schaut und nicht nostalgisch in die Vergangenheit."
"Besser und mit mehr Tiefe"
Neu sind u. a. Szenen auf einer französischen Plantage, die Verlängerung der Playmate-Szene und die breit angelegte Passage auf dem Patrouillenboot vor Beginn der Reise in den Dschungel. Auf die Frage, inwieweit diese Sequenzen die Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lassen, antwortet Coppola: "Ich habe den Film im Fernsehen gesehen und fand ihn zu konventionell, weniger scharf und böse, als ich ihn in Erinnerung hatte, wahrscheinlich weil unsere Kultur und unsere Rezeption sich mit der Zeit ändern. Die Sequenz auf der französischen Plantage, die übrigens erst einige Nächte vor dem Dreh geschrieben wurde wie ein Großteil des Films, zeigt eine historische Perspektive, nämlich dass schon vor Willard und Kurtz Ausländer im ehemaligen Indochina gestrandet und gescheitert waren, die französischen Kolonialherren. Und die Playmates sind das weibliche Äquivalent zu den jungen Soldaten, die in einem Konflikt kämpfen, den sie eigentlich nicht begreifen. Sie werden genauso für die Zwecke anderer ausgenutzt. Die eingefügten Szenen vor der Reise auf dem Patrouilleboot zeigen die anfängliche Unbekümmertheit, die Kameradschaft. Dadurch wird der Kontrast zu dem anschließenden Grauen noch stärker." Für Coppola sagt die neue Fassung, nichts anderes als die alte, "aber sie sagt es besser und mit mehr Tiefe."
Autor/in: Margret Köhler, 21.09.2006