Hintergrund
Ehetherapie im Agentenfilm à la Hollywood: Mr. & Mrs. Smith als Auseinandersetzung mit "Gewalt in der Ehe"
In den ersten Agentenfilmen waren die Frauen nicht mehr als schmückendes Beiwerk. Doch seit James Bond 1962 das erste Mal die Leinwand eroberte, hat sich nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch das Umfeld eines Spezialagenten emanzipiert. Die Frauen sind selbstbewusster geworden, sie üben als waghalsige Helikopterpilotin, Atomphysikerin oder Programmiererin qualifizierte Jobs aus und stehen dem Agenten in keiner Weise mehr nach. Zugleich musste sich der Geheimagent gegen ebenbürtige Gegnerinnen zur Wehr setzen. Die Rollen blieben trotzdem klar verteilt, noch behält Bond immer die Oberhand.
Profikiller hinter der Fassade einer bürgerlichen Ehe
Wirkliche Gleichberechtigung im Genre des Agentenfilms gibt es seit Mr. & Mrs. Smith von Doug Liman. Hier sind ein Agent und eine Agentin seit mehreren Jahren miteinander verheiratet, ohne zu wissen, dass die Partnerin beziehungsweise der Partner jeweils im gleichen "Business" tätig ist. Der angebliche Ingenieur und die vermeintliche Computerspezialistin sind Profikiller im Auftrag zweier konkurrierender Unternehmen. Die berufliche Gleichberechtigung hat ungeahnte Folgen, nachdem beide bei ihrem nächsten Auftragsmord zum Ziel des/der anderen werden. Als Mr. und Mrs. Smith auf diese Weise ihre wahre Identität entdecken, gerät die über Jahre eingefahrene Ehetristesse aus den Fugen. Rollenbilder und klar verteilte Aufgabenbereiche funktionieren nicht mehr. Plötzlich stellt die Ehefrau am Kochtopf und der im Gartenhaus werkelnde Ehemann eine Bedrohung für Leib und Seele da. Die misstrauische Angst der beiden vor dem/der wohlbekannten Fremden führt zu einem heillosen Gewaltexzess.
Schwierige Sachverhalte in gefälliger Verpackung
Von Genrefilmen um Agenten, Spionage und Action erwartet man eigentlich nicht, dass sie sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander setzen. Die Erzählmuster sind bekannt, stereotype Figuren- und Konfliktkonstellationen machen das Filmerlebnis für die Zuschauenden kalkulierbar. Vor bösen Überraschungen mit unbequemen Themen aus dem eigenen Alltag darf man sich eigentlich sicher fühlen. Und doch bietet das Versprechen guter Unterhaltung um schöne Menschen mit lösbaren Problemen und einem gewaltigen Maß an Action auch die Chance, schwierige Sachverhalte in gefälliger Verpackung ins Blickfeld zu rücken. So verhandelt Mr. & Mrs. Smith das Thema "Gewalt in der Ehe" in ungewöhnlicher Konstellation. Hier wird keine schwache Frau das Opfer eines übermächtigen Mannes, sondern zwei einander ebenbürtige Gegner/innen machen sich das Leben plötzlich zur Hölle und liefern damit reichlich Anspielungen auf ganz alltägliche Ehesituationen. Bereits der Allerwelts-Nachname des Agentenpaares scheint in seiner Geläufigkeit eine deutliche Aufforderung zu sein, sich in den beiden wiederzuerkennen. Aber es ist nur ein freiwilliges Angebot, das die Zuschauenden annehmen oder auch ablehnen können. Extrem überspitzt und unterhaltsam wird das mit dem Killerauftrag verknüpfte Thema in Szene gesetzt. Wo üblicherweise graue Trostlosigkeit den Hintergrund hilflos gewalttätiger Auseinandersetzungen bildet, bekriegen sich die Repräsentanten/innen bürgerlicher Vorstadtidylle mit der Kalaschnikow. Das ist vordergründig amüsant, aber auch die zumindest angedeutete Beschäftigung mit einem gesellschaftlichen Problemfeld, das reine Genreliebhaber wohl kaum ins Kino locken würde.
Strukturelle Parallelen ohne Tiefgang
Tiefgründiger scheinen Genrefilme das Phänomen der Gewalt in Ehe oder Partnerschaft kaum reflektieren zu können. Sie variieren allenfalls gängige Erzählmuster, im Fall von Mr. & Mrs. Smith als Spiel mit Versatzstücken klassischer Agentenfilme und Beziehungskomödien. Kein anonymer Feind, sondern die eigene Ehefrau wird zur Widersacherin. Wie in einer in die Jahre gekommenen Ehe gehen die Kontrahenten/innen blutrünstig aufeinander los. Aber die Betonung liegt auf dem "wie"; tatsächlich bekriegen sich hier zwei Agenten/innen. Mit der Nutzung gängiger Rollenmuster bietet der Genrefilm den Zuschauenden eine angenehme Vereinfachung des Themas. Agenten/innen haben Aufträge, die sie erfüllen müssen. In einer solchen Konstellation müssen Mann und Frau ihre eigene Situation, ihre Rolle und ihr Verhalten nicht reflektieren oder sogar ändern. Auf Gewalt folgt Gegengewalt. Jedes Gespräch ist von vornherein überflüssig, weil dem Gegenüber per se nicht zu trauen ist. Auch Schuldgefühle scheinen fehl am Platz, weil es jede/r dem/der anderen nur gleichtut. So werden im Genrefilm eigentlich komplizierte Verhältnisse überschaubar und handhabbar. Dieses Versprechen einfacher Lösungsvorschläge macht ihn attraktiv. Widersprüche, die sich in der Realität nicht lösen lassen, erscheinen auf der Leinwand beherrschbar.
Gefährliche Verharmlosung oder Chance zur Auseinandersetzung?
Die Darstellungen von exzessiver Gewalt bebildern Fantasien und psychischen Druck, die in der Realität im Ungewissen bleiben. Gewalt im Kino fasziniert auch deshalb, weil sie Vages eindeutig macht. Der Kampf der Eheleute auf Leben und Tod führt in Genremustern aus, was sich im ernüchternden Ehealltag in aggressiven Beleidigungen oder handfester Gewalt äußert. Die ästhetisierte Gewalt hat für die Figuren jedoch keine physischen Konsequenzen. Ballettähnlich choreographierte Kampfszenen, gesichtslose Gegner/innen und Helden/innen in blütenweißen Leibchen verharmlosen das Thema gewalttätiger Ausbrüche im Alltag auf mitunter inakzeptable Weise. So bleibt es eine Frage der Perspektive: Sind Agentenfilme nichts weiter als harmlose Actionspektakel oder zugleich auch ein ernst zu nehmender Spiegel gesellschaftlicher Realitäten? Offenbar belebt es das Genre, wenn komplizierte Alltagsthemen ins Blickfeld rücken, ohne moralinsauer zur Auseinandersetzung aufzufordern. Zugleich besteht die Gefahr, dass sie durch oberflächliche Darstellung unverantwortlich verharmlosen. Die gefällige Darbietung problematischer Sachverhalte macht Genrefilme bequem. In der Schlacht befinden sich nur die Protagonisten/innen des Films, während die Zuschauenden im Kinosessel nicht unmittelbar betroffen sind – zumindest bis der Vorhang fällt.
Mr. & Mrs. Smith
Produktion: Fox, New Regency, Summit Entertainment, Weed Road; USA 2005
Laufzeit: 120 Minuten
Regie: Doug Liman
Drehbuch: Simon Kinberg
Kamera: Bojan Bazelli
Darsteller/innen: Brad Pitt, Angelina Jolie, Vince Vaughn, Kerry Washington, Adam Brody u. a.
FSK: ab 12 J.
Verleih: Kinowelt
Kinostart: 21. Juli 2005
www.kinowelt.de
Autor/in: Dinah Münchow, 21.09.2006