Inhalt
Ana, eine verträumte Teenagerin, die in Montevideo bei ihrer getrennt lebenden Mutter Graciela wohnt, schwänzt die Schule und verliert das Interesse am Handballspielen. Sie lässt sich treiben und sucht Neues; zunächst mit einem Klassenkameraden, dann mit einem erwachsenen jungen Mann beginnt sie ihre Sexualität zu entdecken. Ihr melancholischer, einsamer Vater Rodolfo, ein Zahnarzt, findet allein noch in seinen Zimmerpflanzen Trost und Freude. Hartnäckig versucht er, die Liebe seiner Tochter und damit die Familie zurück zu gewinnen, was Graciela gar nicht gefällt. Derweil kümmert diese sich in täglichen Krankenhausbesuchen aufopferungsvoll um ihre sterbenskranke Tante – und verliebt sich im Wartezimmer neu. Schließlich scheint es Ana zu gelingen, die drei auseinanderdriftenden Familienmitglieder wieder näher zueinander zu bringen.
Umsetzung
Die in stillem, melancholischem Ton und dennoch leichthändig-humorvoll erzählte Familien-Geschichte mit komödiantischen Elementen entwickelt sich entlang linear ablaufender Episoden, in denen die drei Charaktere jeweils abwechselnd im Fokus stehen. Immer wieder, wie z.B. bei der schwerkranken Tante, spielt die Dramaturgie mit der Abstinenz von Figuren im Bild und enttäuscht bewusst die Erwartungshaltung der Zuschauer. In Plansequenzen, oftmals in Innenräumen, erfasst die Kamera Begrenztheiten im Wahrnehmungshorizont der Personen. Für die visuelle Anmutung sind kunstvoll reduzierte Lichtsetzung und entsättigte Farben charakteristisch. Mit prägnanten Geräuschen und Musikeinsatz, oftmals konträr zum Bild, wird eine ganz eigenständige auditive Ebene generiert. Das trägt dazu bei, Situationen und Stimmungen anzudeuten und zu entwickeln, die ambivalenten Gefühlslagen der Protagonisten zu spiegeln.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Die ganz auf seine drei Charaktere zugeschnittene Geschichte einer auseinanderdriftenden und sich wieder findenden Kleinfamilie aus der Mittelschicht Montevideos ist thematisch universell, Schüler/innen dürfte sie insbesondere über die Figur der Ana ansprechen. Sie verkörpert mit ihrem Eigensinn, mit trotziger Verweigerungshaltung und flirrenden Suchbewegungen sexueller Identität jugendaffine Attitüden und ambivalente Verhaltensweisen langsamen Erwachsenenwerdens geradezu prototypisch. Ausgehend von einer Figuren bezogenen, unmittelbar identifikatorisch-affektiven Rezeption ermöglichen die unkonventionell eingesetzten audiovisuellen Mittel eine Erarbeitung besonders charakteristischer filmsprachlicher und -gestalterischer Elemente des immer wieder mit überraschenden Wendungen aufwartenden Films. Lohnenswert könnte in diesem Kontext eine eingehendere Analyse der fast surrealistisch erscheinenden Schlußsequenz sein.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Reinhard Middel, 19.10.2012, Vision Kino 2012.