Die schüchterne junge Sophie arbeitet als Hutmacherin im Geschäft ihres verstorbenen Vaters, während ihre Schwester eine berufliche Karriere in der Stadt eingeschlagen hat. Nur selten verlässt Sophie ihre vertraute Umgebung, um in die Stadt zu fahren. Eines Tages lernt sie dort den gutaussehenden und galanten Zauberer Hauro kennen, in den sie sich verliebt. Daraufhin wird sie von einer eifersüchtigen Hexe in eine alte Frau verwandelt. Sie begibt sich auf die Suche nach Hauro, der den Fluch vielleicht aufheben könnte. Mit Hilfe einer hüpfenden Vogelscheuche findet sie schließlich Hauros wandelndes Schloss, dass wie ein riesiges mechanisches Monster umherläuft, vier Türen in unterschiedliche Welten und Zeiten hat und von dem Feuerteufel Calcifer bewacht wird. Unerkannt arbeitet sie dort als Putzhilfe für den selbstherrlichen Hauro und steht ihm auch dann zur Seite, als er vom König den Auftrag erhält, das Land vor einem heraufziehenden Krieg zu retten. Dank ihrer großen Liebe gelingt es ihr, Hauro zu retten, der sie vom Fluch befreit und den Krieg beenden kann. – Spätestens nachdem Hayao Miyazaki für Chihiros Reise ins Zauberland 2002 auf der Berlinale den Goldenen Bären erhielt, ist der japanische Anime-Meisterregisseur, der in seinem Heimatland längst Kultstatus erreicht hat, auch hierzulande einem breiteren Publikum bekannt geworden. In seinem neuen Werk Das wandelnde Schloss mischt er mit unverändert hoher Kreativität und überbordender Fantasie Märchen- und Mythenelemente aus östlichen wie westlichen Kulturkreisen zu einer homogenen, anrührenden und von Toleranz und Humanität getragenen Geschichte, die seine unverwechselbare Handschrift trägt und auch die brutale Alltagsrealität eines Krieges nicht ausspart. Obwohl das Naturverständnis und die Welt der Geister und Dämonen des Anime eher japanischen Traditionen folgen, wirkt vieles sehr europäisch. Sophie wächst in einer Kleinstadt auf, die mit ihren mittelalterlichen Fachwerkgebäuden stark an Deutschland erinnert, die Berge sehen aus wie die Alpen, der Königshof ist ebenfalls eindeutig europäisch und der Krieg weist Anklänge an den Zweiten Weltkrieg und den futuristischen Stil eines Jules Verne auf. Ein modernes Märchen für Erwachsene, voller Poesie und Magie, das vertraut und zugleich fremd wirkt und mühelos vieles von dem in den Schatten stellt, was derzeit in den Kinos läuft.
Autor/in: Holger Twele (Text vom 01.08.2005), 01.08.2005