Der von Krankheit gezeichnete, 26-jährige Kindermörder Jürgen Bartsch gibt während einer Therapiesitzung Auskunft über sein Leben. In den 1960er Jahren entführte, missbrauchte und tötete der Metzgergehilfe vier halbwüchsige Jungen. Die grausamen Fälle schrieben Kriminalgeschichte. Bei seinem ersten Mord war Bartsch erst 15 Jahre alt und 19, als er von der Polizei gefasst wurde. Kai S. Pieck entdeckt hinter der "Bestie von Langenberg", als die ihn die Boulevardpresse bezeichnete, Abgründe einer kranken und geschundenen Seele. Ein Leben lang kurze Hosen tragen ist das beklemmende Psychogramm eines Jungen, dessen Kindheit von massiven Repressionen geprägt war, so dass er seine eigene Homosexualität nie auslebte und stattdessen schreckliche Gewaltfantasien entwickelte. In Rückblenden wird ein Junge sichtbar, der zunächst bei lieblosen, gleichgültigen und autoritären Adoptiveltern aufwuchs, in der Pubertät unter der gewalttätigen Erziehung im Knabeninternat litt, wo Homosexualität als Todsünde galt. Als Grundlage für das Drehbuch dienten Aufzeichnungen und Briefe, die der amerikanische Journalist und Psychologe Paul Moor unter dem Titel "Jürgen Bartsch: Opfer und Täter – Das Selbstbildnis eines Kindermörders in Briefen" veröffentlichte. Sie bürgen für die Authentizität trotz vieler simulierter Dokumentarfilmszenen: In schwarzweißen Video-Sequenzen scheint vermeintlich der Mörder selbst in Erscheinung zu treten, in Wirklichkeit aber sind diese Szenen mit einem Schauspieler inszeniert. Mittels dieses Kunstgriffs nimmt der Regisseur ganz die Perspektive seines Protagonisten ein, dessen Bekenntnisse er bewusst nicht kommentiert. Die schrecklichen Taten der realen Personen werden weder gerechtfertigt noch entschuldigt. Gleichwohl vermittelt sich auf ebenso zwingende wie subtile Weise die unbequeme Erkenntnis, dass auch die Gesellschaft für die Unfähigkeit zur normalen Sozialisation dieser Menschen verantwortlich zu machen ist.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.08.2004