Der essayistische Dokumentarfilm des bekannten chilenischen Regisseurs Patricio Guzmán schildert auf drei Ebenen eine Spurensuche in der Vergangenheit. In der chilenischen Wüste Atacama untersuchen Astronomen in sechs Observatorien uralte Lichtquellen im Weltall, um mehr über die Entstehung der Welt und die Zukunft der Erde zu erfahren. In der Nähe graben Archäologen/innen nach Überresten präkolumbianischer Zivilisationen und stoßen dabei auf mumifizierte Leichen von Minenarbeitern aus dem 19. Jahrhundert. Zugleich durchwühlen ältere Frauen die Erde nach Überresten ihrer Angehörigen, die die Militärdiktatur von Augusto Pinochet zwischen 1973 und 1990 in der Wüste ermorden oder "verschwinden" ließ.
Der 68-jährige Filmemacher bettet die Wahrheitssuche der Frauen und den Erkenntnisdrang der Wissenschaftler/innen in ruhige
Totalen der majestätischen Landschaft. Diese wechseln sich mit faszinierenden Aufnahmen des nächtlichen Sternenhimmels und verfremdeten Einstellungen von glitzernden Staubpartikeln ab. Eine geschickte
Montage kombiniert diese Bilder mit den Statements der Zeitzeugen/innen, die in bewegenden Worten von den leidvollen Folgen der Diktatur berichten. Als Erzähler liefert Guzmán wichtige Hintergrundinformationen im
Off, etwa dass das Militär versuchte, die Spuren seiner Verbrechen zu verwischen, indem es die Gebeine der Ermordeten ausgraben und ins Meer werfen ließ.
Anhand des Films lässt sich im Geschichtsunterricht verdeutlichen, wie lateinamerikanische Militärregimes in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Macht absicherten, indem sie Oppositionelle systematisch verfolgten und ermordeten. Daran anknüpfend liefert der Film hilfreiche Anstöße, um zu hinterfragen, warum die Verbrechen des chilenischen Militärregimes bis heute nur ansatzweise aufgearbeitet sind. Dies legt Vergleiche zum Umgang mit historischer Schuld in anderen lateinamerikanischen Staaten und der Gedenkkultur in Deutschland in Bezug auf die NS-Diktatur nahe. Für das Fach Deutsch bietet es sich an, die eleganten Erzählbögen nachzuvollziehen, die der Film zwischen Astronomie, Archäologie und Zeitgeschichte schlägt: Etwa wenn der ehemalige Häftling Luis erzählt, wie er sich im Konzentrationslager seine innere Freiheit bewahrte, indem er nachts die Sterne beobachtete.
Autor/in: Reinhard Kleber, 22.12.2010
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Junta (Filmbesprechung vom 01.07.2003)
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