Kategorie: Filmbesprechung
"Bungalow (WA)"
Wieder im Kino: das eindringliche Coming-of-Age-Drama von Ulrich Köhler
Unterrichtsfächer
Thema
Auf dem Rückweg von einem Manöver zur Kaserne bleibt der 19-jährige Rekrut Paul unbemerkt an einer Raststätte zurück. Die Kompanie bemerkt sein Fehlen zunächst nicht. Paul nutzt die Gelegenheit, nach Hause zu fahren, zumal seine Eltern gerade verreist sind und ihr Zum Inhalt: Bungalow in der hessischen Provinz samt Swimmingpool eine willkommene Abwechslung im Hochsommer verspricht. Es dauert nicht lange, bis Feldjäger seinen Aufenthaltsort entdecken und seine Freundin Kerstin macht obendrein mit ihm Schluss. Als auch noch sein älterer Bruder Max mit seiner dänischen Freundin Lene auftaucht, ist an "Urlaub" nicht mehr zu denken. Seit jeher fühlt sich Paul von Max bevormundet. Dem Lebensstil seiner gutbürgerlichen Eltern kann er auch nichts Positives abgewinnen. Er verliebt sich in Lene und rebelliert offen gegen seinen Bruder, ohne zu wissen, wohin diese Aufsässigkeit ihn am Ende führen wird.
Es gibt Filme, die scheinen ihrer Zeit voraus zu sein – oder zumindest geben sie eine Vorahnung von dem, was einmal kommen könnte. Das 2002 erschienene und mehrfach preisgekrönte Debüt "Bungalow" des in Marburg geborenen Regisseurs Ulrich Köhler gehört wohl zu diesen Filmen. Im Mittelpunkt steht ein junger Mann, der ein Unbehagen an einer wohlsituierten Gesellschaftsschicht spürt, sich intuitiv dagegen auflehnt und sich völlig überraschend verhält. Paul ist als Figur weder biografisch noch psychologisch greifbar und hat darüber hinaus auch kein konkretes Zukunftsziel vor Augen. Der Zum Inhalt: Inszenierungsstil trägt entscheidend dazu bei, Paul, der von einem Profi-Skater dargestellt wird, in keine der üblichen Jugendkultur-Schubladen stecken zu können. In langen ruhigen Zum Inhalt: Plansequenzen entwickelt sich das Zum Inhalt: Kammerspiel im titelgebenden Bungalow als einem zeitverlorenen Ort. Die wenigen Dialoge sind knapp und lakonisch, eine Zum Inhalt: Musikuntermalung fehlt komplett.
Der Film, der damals wie heute gängigen Sehgewohnheiten zuwiderläuft, ermöglicht gerade im Deutsch- oder Sozialkundeunterricht reizvolle Vergleiche mit der Gegenwart. So lässt sich dafür etwa die "Fridays for Future"-Bewegung heranziehen, die ihr Unbehagen gegenüber einer Elterngeneration, die auf Kosten der jüngeren gelebt hat, inzwischen deutlicher zum Ausdruck bringen kann als Paul, sich aber genauso wenig vereinnahmen lassen möchte. Die Auseinandersetzung mit Werten gerade in Zeiten, in denen Freiheit und Demokratie neu definiert und erkämpft werden müssen, geht über rein gesellschaftspolitische Fragestellungen hinaus. Sie lässt sich auch im Rahmen des Ethik- und Religionsunterrichts führen. Nicht zuletzt ist der Film für die Medienkunde von Interesse. Schließlich wirken gerade Filme, die bereits älter sind oder/und nicht den aktuellen Sehgewohnheiten und Erzählstrategien entsprechen, oft ähnlich wie ein (Brecht'scher) Verfremdungseffekt. Auf diese Weise regen sie zum Nachdenken an über die eigene Weltsicht und das scheinbar Selbstverständliche und leicht Begreifbare.