Hintergrund
Das Trauma, ein "Ermüdungsbruch der Seele"
Schockierende Ohnmachtsgefühle
Man braucht nur ein x-beliebiges Material ohne Unterlass hin und her zu biegen, irgendwann bricht es. Dieser "Ermüdungsbruch" tritt auch beim Menschen auf. Wirkt längere Zeit eine Kraft auf ihn, der er auf Dauer nicht Stand halten kann, nimmt die Seele daran Schaden und der Körper weist entsprechende Symptome auf. Aus dieser Hilflosigkeit scheint es kein Entrinnen mehr zu geben. So eine Kraft kann ein traumatisches Erlebnis sein. Das ist ein Geschehen, das von außen auf den Menschen einwirkt und bei dem bisherige Bewältigungsstrategien, hauptsächlich Flucht oder Kampf, versagen.
Man-made und Non-man-made Traumata
Man unterscheidet zwischen man-made (von Menschen gemachte) und non-man-made (nicht von Menschen gemachte) Traumata. Man-made Traumata können körperliche und seelische Gewalt, sexueller Missbrauch, chronisch schwere Vernachlässigung, Raubüberfälle, Entführungen, schwere Verkehrsunfälle, Terroranschläge, Folter oder Krieg sein. Zu den Non-man-made Traumata zählen Naturkatastrophen, lebensbedrohliche Erkrankungen (zum Beispiel Krebs, Aids) oder der plötzliche Verlust eines geliebten Wesens. Zumeist ist dies verbunden mit dem Gefühl von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein. Alle Gefühle werden dabei abgeschaltet, es stellt sich ein Zustand des "Eingefrorenseins" ein, der von den Betroffenen wahrgenommen wird, als würden sie neben sich stehen, als würde es gar nicht passiert sein, als wäre es nur ein Film. Solche Reaktionen dienen allein dem Überleben während und direkt nach einem Trauma und können nach einiger Zeit wieder abklingen. Auch der Verstand arbeitet daran, mit dem traumatischen Erlebnis fertig zu werden. Erst wenn diese Symptome nach einem längeren Zeitraum nicht schwächer sondern stärker werden, spricht man von einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Folgen von Traumatisierungen und Krankheitsbilder
Die Auswirkungen sind umso katastrophaler, je früher im Lebensalter die Traumatisierungen stattgefunden haben, je länger sie andauern und je enger die Beziehung zum Täter oder zur Täterin bestand. Je nach Charakter und Persönlichkeit kann ein Trauma ganz unterschiedliche Folgen haben. Häufige Reaktionen sind wiederholte und sich aufdrängende Erinnerungen an das Ereignis, körperliche Unruhe, vegetative Störungen, Reizbarkeit, erhöhte Wachsamkeit, plötzliches Handeln oder Fühlen, als ob das Trauma wiedergekehrt wäre; auch Visionen (Flash-Backs) gehören dazu. Viele Betroffene durchleben intensives seelisches Leid bei der Konfrontation mit Ereignissen, die das Trauma symbolisieren oder ihm in irgendeiner Weise ähnlich sind. Als Vermeidungsstrategien werden Gedanken, Gefühle, Aktivitäten oder Situationen, die irgendwie mit dem Trauma in Verbindung stehen, angestrengt vermieden, was meist zu Erinnerungslücken und zum Gefühl der Entfremdung gegenüber anderen Menschen führt. Hinzu kommt häufig die Angst, die Kontrolle über das eigene Leben komplett zu verlieren, verrückt zu werden. Schließlich entstehen Scham und Schuldgefühle sowie Selbstvorwürfe.
Diese posttraumatischen Belastungsstörungen können auch im späteren Lebensalter auftreten und Folge von schweren traumatischen Einwirkungen in der frühen Kindheit und Jugend sein. Auch an der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen, insbesondere Borderline-Persönlichkeitsstörungen, sind manchmal traumatische Schädigungen beteiligt und gehen mit anderen Symptombildungen einher wie etwa Depressionen, Angstzuständen, Phobien, Essstörungen, selbst verletzendem Verhalten, Tics, Schmerzsyndromen und Süchten.
Behandlung von traumatisierten Menschen
Trauma-Arbeit wird häufig mit dem Entschärfen einer Mine verglichen; entsprechend sind bestimmte Sicherheitsvorkehrungen unabdingbar. Posttraumatische Belastungsstörungen sollten nur von ausgebildeten Fachleuten behandelt werden.
Die Wiederherstellung eines Grundgefühls von persönlicher Sicherheit steht an erster Stelle einer Trauma-Therapie, da das Erleben der traumatischen Situation in der Regel zu großen Verunsicherungen führte. Diese Stabilisierung bietet die Basis, um es den Betroffenen zu ermöglichen, sich später mit ihrem Trauma auseinander zu setzen.
In einem zweiten Schritt müssen Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und erinnerte Erfahrungen möglichst gleichzeitig erlebt werden. Ziel der "Trauma-Exposition" ist es, traumatische Zustände in Erinnerungen umzuwandeln und sie in das biografische Gedächtnis der Patienten/innen zu integrieren, um Flashbacks, Albträume und Angstzustände zu beenden.
Die dritte Phase der Therapie dient der weiteren Integration der traumatischen Erfahrungen in die Lebensgeschichte der Patienten/innen und ganz wesentlich der Arbeit an Zukunftsperspektiven. Dies ermöglicht die Abkehr von der inneren Fixierung auf das Trauma hin zur Wiederaufnahme sozialer Kontakte und der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit. Erst wenn die Betroffenen Erinnerungen und Gefühle im Zusammenhang mit dem Trauma bewusst hervorrufen können, ohne ihnen ausgeliefert zu sein, ist ein Wiederanknüpfen an eine lebendige Lebensgestaltung möglich.
Literaturhinweise (Auswahl):
Boos, Anne: Kognitive Verhaltenstherapie nach chronischer Traumatisierung. Therapeutische Praxis, Hogrefe Verlag 2005
Eckardt, Jo: Kinder und Trauma, Was Kinder brauchen, die einen Unfall, einen Todesfall, eine Katastrophe, Trennung, Missbrauch oder Mobbing erlebt haben, Vandenhoeck + Ruprecht Verlag 2005
Fässler-Weibel, Peter (Hrsg.): Trauma und Tod in der Schule, Paulusverlag, Fribourg 2003
Fischer, Gottfried: Neue Wege aus dem Trauma, Walther-Verlag, 5. Auflage 2003
Hellbrügge, Theodor, Karl Heinz Brisch (Hrsg.): Bindung und Trauma. Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern, Klett Cotta Verlag 2003
Huber, Michaela: Trauma und die Folgen. Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 und 2, Junverman-Verlag 2003
Autor/in: Gitta Rübsaat, Psychotherapeutin, 08.12.2006
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