Anleitung zum Unglücklichsein
Das Leben des Staatsbürgers von der Wiege bis zur Bahre glücktriefend zu gestalten hätten sich viele Sozialstaaten zur Aufgabe gemacht, und das sei nur möglich, wenn die Menschen systematisch zur gesellschaftlichen Inkompetenz erzogen würden. Diese provokativen Thesen äußerte der Psychologe Paul Watzlawick bereits 1983 in seinem Buch "Anleitung zum Unglücklichsein". Zusammen mit seinen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen zur menschlichen Kommunikation zählt es längst zu den Standardwerken der Verhaltens- und Kommunikationswissenschaften.
In Anlehnung an Dostojewski und Friedrich Nietzsche fragt Watzlawick, ob Glück und Glücklichsein wirklich erstrebenswerte Lebensziele seien oder die Menschen nicht viel lieber hilflos und unglücklich sind – weil sie sich dann nämlich nicht ändern und keine Verantwortung für ihr eigenes Tun übernehmen müssen. Für diese Menschen (niemanden ausgenommen) gibt der Autor aus der Sicht eines Profis hilfreiche Anleitungen zum Unglücklichsein, die sich in der heiter-ironisch ausgeführten Analyse typischer Mechanismen des Unglücklichseins freilich in ihr Gegenteil verkehren (sollen). Denn meistens wird es seiner Meinung nach nicht durch äußere Umstände, sondern durch bestimmte Erwartungen, Verhaltensweisen und Kommunikationsmuster erzeugt, vor allem, wenn der Einzelne sich eine gedankliche Wirklichkeit konstruiert, ohne diese ständig an der äußeren Realität zu überprüfen.
Ein besonders probates Mittel, Probleme auf Dauer zu behalten, ist zum Beispiel das starre Festhalten an Anpassungen und Lösungen, die früher einmal funktionierten, selbst wenn sich die Umstände inzwischen längst geändert haben und die Ausgangslage eine andere ist – auch in der Politik ein bekanntes Phänomen. Aber Watzlawick präsentiert dem geneigten Leser auch weniger aufwändige Methoden, sich in der Familie wie in der Gesellschaft garantiert unglücklich zu machen und 'Opfer' zu werden, etwa durch negative Selbstbeeinflussung, Vermeidungstrategien, "selbsterfüllende Prophezeiungen", Vorwürfe, Zuschreibung negativer Gefühle und Handlungsabsichten auf den anderen oder "Sei spontan"-Aufforderungen.
Literaturhinweis:
Paul Watzlawick. Anleitung zum Unglücklichsein. Piper Verlag, München – Zürich 1983
Autor/in: Holger Twele, 11.12.2006