Eine mysteriöse Pandemie geht um, in deren Verlauf Menschen allmählich zu Tierwesen mutieren. Davon betroffen ist auch Lana, die Mutter des 16-jährigen Émile, die zunehmend einer Bärin ähnelt und nach einem Angriff auf ihren Sohn interniert wurde. Als sie in einen Hochsicherheitstrakt in der französischen Provinz gebracht werden soll, siedeln Émile und sein Vater François dorthin über. Bei einem Transport einiger Mutanten ins "Lager Süd", bei dem Lana dabei ist, kommt es jedoch zu einem Unfall; es gibt Tote, aber auch Überlebende wie den Vogelmenschen Fix, der sich im nahegelegenen, dicht bewachsenen
Wald versteckt. Émiles Mutter wird vermisst. François ist überzeugt, dass sie noch am Leben ist und macht sich zusammen mit Émile auf die Suche. Als dann auch Émile eindeutige Veränderungen an seinem Körper feststellt, verheimlicht er die beginnende Transformation vor seinem sozialen Umfeld.
Animalia ist ein facettenreiches
Fantasy-Drama, das neben emotionalen Momenten auch Actionszenen beinhaltet. Die Hintergründe der Verwandlungen spart
Regisseur und
Drehbuchautor Thomas Cailley bewusst aus. Vielmehr geht es ihm und seiner Co-Autorin Pauline Munier um den gesellschaftlichen Umgang mit dem eigentümlichen Phänomen: Während die einen für ein friedliches Miteinander plädieren, fühlen sich andere von den Tierwesen bedroht und wollen diese wegsperren oder gar töten. Émiles Verwandlung zu einem Wolf wird – weniger drastisch, aber durchaus vergleichbar mit David Cronenbergs
Die Fliege (
The Fly, USA 1986) – mit Elementen des
Körperhorrors (Body Horror) inszeniert. Seine Metamorphose könnte als Sinnbild für die Wirren der Pubertät gedeutet werden, wozu auch die Verliebtheit in die Schulkameradin Nina und die Entfremdung zu seinem Vater passen würde. Bei der filmischen Umsetzung setzt Cailley auf eine Mischung aus Spannungsmomenten und poetischen und mitunter melancholischen
Szenen, die die
Musikauswahl zusätzlich emotionalisiert. Hervorzuheben ist der stimmige Einsatz des
Maskenbilds zur Darstellung der Mutierten.
In den Fächern Ethik oder Philosophie bietet
Animalia eine Diskussion zum Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Was unterscheidet die Gattungen, was verbindet sie? Um das Motiv der Tiermenschen einzuordnen, lohnt ein Blick in die von derlei Geschöpfen bevölkerte Kulturgeschichte; so weist etwa Émiles Verwandlung Parallelen zum Werwolf-Topos auf. Im Film macht sich diese erst durch seine geschärften Sinne bemerkbar, schlussendlich verlieren Betroffene ihre Sprache. Interessant ist hier die Position des Familienhunds, der Émiles Mutation sehr früh wittert. Spannend ist auch die gesellschaftliche Reaktion auf diese unberechenbare Krankheit (wobei Parallelen zur Corona-Pandemie gezogen werden könnten). Die Filmfiguren bezeichnen die Mensch-Tier-Hybriden wahlweise als "Bestien" und "Monster" oder als "Kreaturen" und "Opfer"; die einen behaupten, "Hass in den Augen" der Mutierten zu sehen, für andere sind sie "lebende Wesen wie wir". Wie ordnen die Schüler/-innen die verschiedenen Sichtweisen ein? Eine Figurenanalyse im Sprachunterricht kann das Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Émile und François untersuchen, das sich im Lauf der Handlung ebenso wandelt wie Émile selbst.
Autor/in: Christian Horn, 09.01.2024
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.