Mit seiner Rolle als Superheld Birdman feierte der Schauspieler Riggan Thomson einst große Erfolge. Doch nun will er sich von der Rolle lösen und plant ein Comeback als Broadway-Regisseur. In den Tagen vor der Premiere wird der Druck immer größer: Schauspieler springen ab, neue stoßen zum Ensemble hinzu, seine Tochter kämpft mit den Folgen einer Drogensucht, die Finanzierung steht auf tönernen Füßen und über allem hängt das Damoklesschwert einer schlechten New York Times-Kritik. Immer lauter wird die dunkle Stimme des Birdman, die anfangs nur in Riggans Kopf existiert, sich bald aber in der Gestalt seines gefiederten Alter Egos manifestiert.
In der ersten
Szene schwebt Michael Keaton als Riggan Thomson im Meditationssitz in seiner Garderobe. Von Beginn an lässt Regisseur Alejandro González Iñárritu Realität und Traum verschwimmen und hält damit offen, ob der Film möglicherweise nur im Kopf seines Protagnisten existiert. Zusätzlich verstärkt wird dieser irreale Effekt durch das Stilmittel, den Film in fluiden Einstellungen zu erzählen: eine technische Bravourleistung, die durch versteckte
Schnitte und
Computertechnik erreicht wird. So manieriert dies stellenweise auch anmutet, deutet die Verbindung von modernster Technik und Theatralik auch die Dialektik von gigantomanischem Hollywood-Kino und dem scheinbar bodenständigen Theater-Milieu an, das Iñárritu vorführt und mit satirischen Seitenhieben entlarvt.
Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit), Szene (© 20th Century Fox)
Neben der außerordentlichen technischen Leistung des Films bietet sich in den Fächern Philosophie und Englisch die Sinnsuche eines Schauspielers, der zwar erfolgreich ist, aber nach künstlerischer Anerkennung strebt, als Diskussionsthema an. In diesem Zusammenhang könnte etwa im Kunst-Unterricht auch der alte Konflikt zwischen Populär-und Hochkultur näher beleuchtet werden. Ist das Theater künstlerisch bedeutsamer als das Kino? Und sind die momentan so omnipräsenten Superheldenfilme tatsächlich der „kulturelle Genozid“, als der sie im Film beschrieben werden? Ebenso aufschlussreich ist es, die Haltung des Regisseurs zu untersuchen, der in einer kurzen, furiosen Action-
Sequenz mühelos vom Autorenkino in das Sujet des
Blockbuster-Kinos wechselt. Weitere dramaturgische und formale Besonderheiten laden zu einer Auseinandersetzung mit der Psychologie des Films ein. So lässt das Wechselspiel zwischen Traum und Realität auch Spekulationen über die Psyche der Hauptfigur zu. Welche Szenen sind der Fantasie, welche der Realität zuzuschreiben? Im Unterricht könnte zudem anhand einiger Szenen ein Psychogramm von Riggan Thomson erstellt werden.
Autor/in: Michael Meyns, 28.01.2015
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