Der Hollywood-Star Johnny Marco führt ein Leben im emotionalen Leerlauf. Sein Dasein als Dauermieter in einem Luxushotel in Los Angeles besteht aus One-Night-Stands, belanglosen Partys und ziellosen Ausfahrten in seinem Ferrari. Als ihm seine 11-jährige Tochter Cleo zur Aufsicht übergeben wird, ändert sich zunächst wenig. Sein Unterhaltungsprogramm für Cleo, die aus einer früheren Beziehung stammt, ist kaum kindgerecht: Besuche im Spielcasino oder auf einer Preisvergabe in Mailand, Videospiele bei Sonnenschein – dennoch genießen beide das Zusammensein. Die Anwesenheit des aufgeweckten Mädchens macht Johnny zunehmend die Leere seiner Existenz bewusst und er beschließt, sich zu ändern.
Sofia Coppola, Tochter der Regielegende Francis Ford Coppola, verarbeitet in
Somewhere auch eigene Erfahrungen in der Welt der Prominenz. Sie ist bekannt für ihren eigenwilligen Stil, mit dem sie vor allem jugendliche Stimmungen in ausdrucksstarke Bilder übersetzt. Schon in
Lost in Translation (USA 2003) spielten Gefühle von Einsamkeit und Fremdheit eine große Rolle. Das gleichförmige Leben Johnnys findet seine Entsprechung in
ruhigen Kameraeinstellungen ohne spektakuläre Oberflächenreize. Seine Begegnungen mit Callgirls, scheinfreundlichen Kollegen und kreischenden Fans haben eine tragikomische Note. Mit nur wenigen Dialogen, verhalten eingesetzter
Popmusik und dem genauen Spiel der Darsteller/innen vermitteln sich die Gefühle und die zaghafte Annäherung zwischen Vater und Tochter. Dabei hält die beobachtende Cleo ihrem Vater nicht nur den Spiegel vor, sondern sie verleiht auch ihrer eigenen Verlorenheit Ausdruck.
Somewhere wirft einen ernüchternden und doch humorvollen Blick hinter die glamouröse Fassade des Celebrity-Kults. Im Unterricht können Schüler/innen die weit verbreitete Sehnsucht nach Ruhm und Anerkennung ebenso diskutieren wie das im Film dargestellte Verhältnis der Generationen. Der die moderne „Unterhaltungsindustrie“ kennzeichnende Wunsch nach ewiger Jugend ist nicht zuletzt verantwortlich dafür, dass sich hier die Rollen von Erwachsenem und Kind geradezu ins Gegenteil verkehren: Im Grunde ist es Cleo, die auf ihren unreifen Vater aufpassen muss. In der gemeinsamen Lösung von Konflikten zeigt der gelungene Film auch Möglichkeiten eines neuen, eher freundschaftlich ausgerichteten Erziehungsmodells auf.
Autor/in: Philipp Bühler, 09.11.2010
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