Cyril hat sich damit abgefunden ein Außenseiter zu sein. Obwohl er klug, sensibel und witzig ist, hänseln ihn alle wegen seiner riesigen Nase. Aber als schlagfertiger Wortkünstler mischt er, getarnt mit einer Maske, erfolgreich die
Battle-Rap-Szene auf. Roxy kommt neu in die Klasse und verdreht gleich allen Jungs den Kopf. Sie ist ebenso ein HipHop-Fan und vermutet hinter der Maske den attraktiven, aber wortkargen Rick. Auch Fiesling Benno hat es auf Roxy abgesehen, und um sie vor seinem falschen Spiel zu schützen, startet Cyril eine waghalsige Verkupplungsaktion: Er schreibt im Namen des verbal gänzlich unbegabten Ricks coole Liebessongs und Textnachrichten an Roxy, das für ihn schönste Mädchen der Welt, mit der Folge, dass sich Roxy in Rick verliebt. Die romantische Dreieckskomödie entwickelt sich auf der Klassenfahrt nach
Berlin und nach einem dramatischen Zwischenfall dämmert es Roxy endlich, wessen Worte und Lieder ihr Herz berührt haben.
Regisseur Aron Lehmann transportiert das im 17. Jahrhundert spielende Versdrama "Cyrano de Bergerac" (1897) von Edmond Rostand in die Gegenwart, in die heutige Teenagerwelt der direkten und schnellen Kommunikation und in eine Mobbing-Kultur, die jede Abweichung von gängigen Schönheitsnormen mit fiesen Sprüchen abwertet. In der turbulent-lustigen Teenie-Komödie gibt es statt Musketier-Kämpfen kraftvolle Battle-Raps, Liebesbriefe werden zu HipHop-Songs oder WhatsApp-Nachrichten und das romantische Liebesdreieck befindet sich auf einer Klassenfahrt. Diese Modernisierungskniffe gelingen und öffnen den historischen Stoff äußerst unterhaltsam für Jugendliche. Neu und zeitgemäß ist, dass die schöne Roxy eine deutlich aktivere Rolle erhält als im klassischen Original oder den bisherigen
Adaptionen und ins Zentrum der Geschichte rückt. Dabei stellt
Das schönste Mädchen der Welt ganz vergnüglich die so einfache wie zeitlose Frage, was wahre Schönheit eigentlich bedeutet.
Das schönste Mädchen der Welt, Szene (© TOBIS Film)
Das schönste Mädchen der Welt wird einer sehr breiten Masse an Jugendlichen gefallen. Rap ist die aktuell bei Jugendlichen beliebteste Musikkultur und auch zwei im Film auftretende Teenie-Influencer (Jonas Ems und Julia Beautx) werden den Film beim jugendlichen Publikum aufwerten. Der Film ist eine gelungene Adaption in Form einer lustigen Teenie-Komödie, die bei hoher Gag-Dichte und jugendlicher
Bildsprache die großen Fragen von äußeren Zwängen und inneren Werten nicht aus den Augen verliert. Statt Dichter mit Degen sind es Battle-Rapper, die eine Möglichkeit bieten, Schüler/-innen für die Kunst der Poesie zu begeistern und sich mit Sprache gründlich auseinanderzusetzen. Kluge und witzige Reime haben längeren Bestand als eine schöne Nase und diese Erkenntnis kann Anlass sein, gängige Normen, Zwänge und Sozialverhalten zu hinterfragen.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Katja Gerstenmaier, 19.07.2018, Vision Kino 2018.
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