Der Verleih hat den Starttermin des Films vom 8. Februar auf den 11. Juli 2024 verlegt.
Joseph Goebbels weiß um die Macht seiner Worte: "Was wahr ist, bestimme ich!" Gleich hinter seinem geliebten "Führer" Adolf Hitler fühlt sich der Propagandaminister als zweiter Mann im Staat. Seine tägliche Arbeit entscheidet darüber, was im nationalsozialistischen Deutschland gesagt und gedacht wird. Das Verhältnis von Goebbels und Hitler ist jedoch Schwankungen unterworfen. Im März 1938 etwa sieht der Minister Hitlers Kriegspläne noch skeptisch – die Deutschen seien noch nicht so weit. Als allerdings seine Affäre mit der tschechoslowakischen Schauspielerin Lida Baarova bekannt wird, muss der verheiratete Goebbels einlenken. Um Hitlers Vertrauen zurückzugewinnen, beendet er die Liebelei und widmet sich fortan mit Feuereifer der Kriegspropaganda. Neben zahllosen Wochenschauen auch zuständig für
Spielfilme, entsteht auf seine Initiative hin auch der antisemitische Hetzfilm
Jud Süß (Veit Harlan, DE 1940). Den Höhepunkt ausgeklügelter Manipulation bildet Goebbels' "Sportpalastrede" am 18. Februar 1943, mit der er die Deutschen auf den "totalen Krieg" einschwört. In Wahrheit ist dieser längst verloren. Am 1. Mai 1945 nehmen sich Goebbels und seine Frau Magda, nachdem sie ihre sechs Kinder ermordet haben, das Leben.
Im
Vorspann erklärt
Führer und Verführer sein Ziel, die nationalsozialistische Inszenierung zu durchbrechen und so "die Mechanismen der Demagogie durchschaubar [zu] machen". Auf der schauspielerischen Ebene indes dominiert das Private. Goebbels' ungelenke Liebschaften und sein ebenso von Eitelkeit und Geltungsdrang geprägtes Verhältnis zu Hitler nehmen breiten Raum ein. Daneben jedoch veranschaulicht der Film, bisweilen geschickt, die spezifischen Methoden der NS-Propaganda. Gleich zu Beginn lässt Goebbels die zitternde Hand Hitlers aus einer Wochenschau entfernen ("Der Führer zittert nicht!"). Zu seiner Manipulation der Medien gehört auch der Durchhaltefilm
Kolberg (Veit Harlan, DE 1945), in dem ein bekannter Satz seiner "Sportpalastrede" ("Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!") wortgleich auftaucht. Eine mit dramatischer
Musik unterlegte
Nahaufnahme zeigt Goebbels beim Proben dieses Satzes. Bereits aus
Dokumentarfilmen wie
Das Goebbels-Experiment (Lutz Hachmeister, DE 2005) bekanntes Archivmaterial wie eine Autofahrt durch das zerstörte Berlin wird – nun mit Goebbels selbst im Wagen – filmisch nachgestellt. Weiteres Bildmaterial etwa von Massenhinrichtungen jüdischer Zivilisten/-innen im besetzten Osteuropa wurde eingefügt, um die mörderischen Folgen seiner Propaganda zu illustrieren. Dem Zweck der Einordnung dienen auch dazwischen geschnittene Auftritte überlebender Zeitzeugen/-innen wie Margot Friedländer, die das Grauen schildern und zur Erinnerung mahnen.
In zweifellos aufklärerischer Absicht greift
Führer und Verführer mitunter zu fragwürdigen Mitteln. Die Verkupplung realer Historie mit privaten Befindlichkeiten gerät zur Kolportage, wenn etwa auch Goebbels Befehl zur antisemitischen "Reichsprogromnacht" am 9. November 1938 von seiner Liebschaft ablenken soll. Einen performativen Widerspruch erzeugt die Entscheidung, Goebbels' eigene Tagebucheinträge als Quelle von Dialogen zu verwenden: Nahezu pausenlos erläutert der eloquente Rheinländer die Methode seiner Propaganda, die nach seiner grundlegenden Überzeugung doch unbemerkt bleiben muss. Die Tagebücher, eine so wichtige wie problematische Quelle, waren erst zur späteren Veröffentlichung (nach dem Krieg) gedacht, aber auch Teil seiner Selbstinszenierung, die der Film somit übernimmt. Noch dazu schwankt die Inszenierung von Goebbels als Illusionskünstler in diesen und weiteren Spiel
szenen zwischen Faszination und unfreiwilliger Parodie, Hitler wirkt dagegen fast besonnen. Ebenso problematisch erscheint der freimütige Einsatz teils drastischen Archivmaterials, das weder hinreichend kontextualisiert wird noch mit den jeweiligen Filmaussagen direkt korrespondiert. In der Medienforschung ist insbesondere die Verwendung sogenannten "Tätermaterials" hoch umstritten, läuft sie doch Gefahr, den jüdischen Opfern ein zweites Mal die Menschenwürde zu rauben. Zwar haben die befragten Zeitzeugen/-innen der Verwendung ihrer
Interviews im Film zugestimmt. Sie wirken jedoch wie der Versuch einer nachträglichen Legitimierung eines insgesamt zweifelhaften Unternehmens.
Autor/in: Philipp Bühler, freier Filmjournalist und kinofenster.de-Redakteur, 22.01.2024
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