Fußball-Lehrer Konrad Koch

Braunschweig, 1874. Drei Jahre nach Gründung des Deutschen Kaiserreichs herrschen Zucht und Ordnung am Martino-Kartharineum-Gymnasium. Im Geschichtsunterricht werden die Schlachten der Preußen noch einmal geschlagen. Zur körperlichen Ertüchtigung wird geturnt, marschiert und Aufstellung genommen, dass Turnvater Jahn seine helle Freude gehabt hätte. Und wer nicht pariert, macht Bekanntschaft mit dem Rohrstock. Dabei ist Direktor Merfeld durchaus

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fortschrittlich gesinnt. Im Rahmen eines Förderprojektes beruft er den jungen Lehrer Konrad Koch an seine Schule, der den Pennälern eine fremde Sprache nahebringen soll: Englisch. Koch jedoch hat von seinem Studienaufenthalt in England nicht nur die notwendige sprachliche Qualifikation mitgebracht, sondern auch die Leidenschaft für Fußball. Als er versucht, seine unwilligen Schüler durch den in Deutschland gänzlich unbekannten Ballsport für die englische Sprache und Kultur zu öffnen, löst er bei den Jungen eine ungeahnte Begeisterung aus. Bei Lehrer- und Elternschaft finden die Aktivitäten indes wenig Anklang. Im Gegenteil: Die patriotisch gestimmten Bürger setzen sogar alles daran, Koch loszuwerden und die als "undeutsch" empfundene Balltreterei zu unterbinden. Der Keim aber ist gesät, und die Jugendlichen sind fest entschlossen, sich das Spiel nicht so einfach verbieten zu lassen.

Frei nach wahren Begebenheiten

"Der ganz große Traum" erzählt, frei nach wahren Begebenheiten, die Geschichte des Konrad Koch, der einst den Fußball nach Deutschland brachte – und das auf überaus kurzweilige Weise. Dramatische und komödiantische Momente wechseln einander wirkungsvoll ab, wobei allzu steile Ausschläge in die eine oder andere Richtung vermieden werden. Insgesamt bestimmt ein augenzwinkernder, sanft parodistischer Tonfall den liebenswerten Film, der besonders in darstellerischer Hinsicht überzeugt. Neben Daniel Brühl, der seiner Figur des Konrad Koch jungenhaften Charme verleiht, wissen sich auch die Nachwuchsakteure/innen gut in Szene zu setzen.

Filmsprache und Inszenierung

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Ästhetisch orientiert sich "Der ganz große Traum" an dem Standard sorgsam inszenierter deutscher Kinoproduktionen, die mit Blick auf ihre spätere Fernsehauswertung massenkompatibel umgesetzt sind. Die Bildgestaltung gehorcht streng dem Prinzip der Eindeutigkeit. Emotionen werden stets in Zum Inhalt: EinstellungsgrößenGroßaufnahmen ins Bild gesetzt, erstarrte Verhältnisse mit Zum Inhalt: Kamerabewegungenstatischer Kamera eingefangen und das Ballspiel mit schwelgerischen Zum Inhalt: EinstellungsgrößenFahrten inszeniert. "Der ganz große Traum" ist ein in jeder Hinsicht leicht zugänglicher Film, der durchaus auf Schauwerte setzt. So zielt denn auch die Zum Inhalt: Mise-en-scène/InszenierungAusstattung weniger auf historische Genauigkeit als auf den pittoresken Reiz einer "guten alten Zeit", die von den rasanten Umwälzungen der Industriellen Revolution noch nahezu unberührt scheint.

Historische Wirklichkeit

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Überhaupt lässt die Darstellung der sozialen Wirklichkeit der Gründerjahre eine romantisierende Tendenz erkennen: Eine allein erziehende Arbeitermutter, die ihren Sohn aufs Gymnasium schickt – das erscheint selbst unter der Maßgabe, dass dies durch ein ambitioniertes Programm der Schule ermöglicht wird, reichlich unglaubwürdig. Auch könnte man bemängeln, dass die Typisierung der Figuren über das Ziel hinaus schießt: Der weltfremde Pfarrer, der gnadenlose Großkapitalist, die Schulklasse mit dem obligatorischen "Dicken", dem Snob und dem introvertierten Underdog – solche Stereotypen kennt man aus unzähligen Pennälerfilmen vergangener Jahrzehnte. Und nicht zuletzt war der historische Konrad Koch – vom Fußball einmal abgesehen - kein Schulreformer, wie im Film angedeutet, unterrichtete nicht Englisch, sondern Deutsch und alte Sprachen und war niemals in England.

Zeitübergreifendes Potenzial

Setzt man allerdings die Brille des Wahrscheinlichkeitskrämers ab, dann stellt man fest, dass "Der ganz große Traum" nicht nur als altersgruppenübergreifende Unterhaltung gut funktioniert, sondern auch zeitübergreifenden Diskussionsstoff bietet.

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So führt der Film das integrative Potenzial des Fußballs lebhaft vor Augen, indem er vom Zusammenwachsen einer Klasse als einem Team erzählt – als einer dem Fairplay-Gedanken verpflichteten Gemeinschaft, die jedem Einzelnen die Chance bietet, sich gemäß seiner Fähigkeiten einzubringen, sich weiter zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen: Der "Dicke" erweist sich als guter Keeper, der es durchaus nicht nur aufgrund seiner Leibesfülle versteht, das Tor klein zu machen. Das schmächtige Arbeiterkind entpuppt sich als wuseliger Spielmacher. Und als Torjäger begreift der schnöselige Fabrikantensohn endlich den Wert guter Zuarbeit. Fern des überzüchteten Profisports unserer Tage erscheint Fußball hier als Verwirklichung einer funktionierenden solidarischen Gesellschaft im Kleinen – ein Plädoyer auch für den Schulsport, dessen Bedeutung heute nicht selten viel zu gering geschätzt wird.

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