Go West!

"Friendship!" - viel mehr als die Übersetzung des sozialistischen Grußes haben Tom und Veit nicht aus dem DDR-Englischunterricht behalten. Doch gleich nach dem Mauerfall lockt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die beiden jungen Ostberliner, seit der Grundschule miteinander befreundet, wollen nach San Francisco. Ihre beschränkten finanziellen Mittel reichen allerdings nur bis New York. Dort beginnt, basierend auf den persönlichen Erlebnissen des Filmproduzenten Tom Zickler, ein klassisches Zum Inhalt: RoadmovieRoad Movie quer durch die USA, in dessen Verlauf die Freunde Land und Leute kennenlernen, vor allem aber die lang ersehnte Freiheit und ihre Tücken am eigenen Leib erfahren dürfen. Während der unbekümmerte Tom das Abenteuer in vollen Zügen genießt, ist der ruhige Veit auf der Suche nach seinem aus der DDR geflüchteten Vater.

Geboren in der DDR

Sony Pictures Releasing

Ein wichtiger Baustein von "Friendship! " ist die DDR-Sozialisation der Protagonisten. Zu Beginn erinnert eine heiter-ironische Zum Inhalt: MontageMontage mit Bildern von FDJ-Aufmärschen und winkenden Parteigenossen/innen an Vorgängerfilme wie Zum Inhalt: SonnenalleeSonnenallee (Leander Haussmann, Deutschland 1999) oder Zum Filmarchiv: "Good Bye, Lenin!" (Wolfgang Becker, Deutschland 2003). Doch die "ostalgische" Rückschau erfolgt ohne Wehmut. Denn eben den beengten DDR-Verhältnissen mit ihren Versprechen von Gleichheit und Brüderlichkeit kehren Tom und Veit den Rücken, um in den USA das genaue Gegenteil zu suchen: grenzenlosen Individualismus statt ideologischer Gängelung.

Culture Clash

Aus dem Kontrast zweier Länder mit unterschiedlichen Systemen schlägt Regisseur Markus Goller allerlei komödiantische Funken. So führt die mangelnde Kenntnis von Sprache und Gesetzen des Landes schon bei der Einreise fast zur Verhaftung. Kurz darauf erweist sich das kapitalistische Wunderland USA als das erhoffte Paradies: Riesige Bahnhöfe mit Verbindungen nach überall, meterlange Supermarktregale, nonstop geöffnete Pornokinos – davon konnte man in der kleinen, sozialistischen DDR nur träumen. Doch Tom und Veit erfahren auch den Preis grenzenloser Konsum- und Bewegungsfreiheit: Ohne Geld ist eine Packung Kekse fast ebenso unerschwinglich wie ein Bahnticket gen Westen.

On the Road

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Das Regelwerk der freien Markwirtschaft ist den fröhlichen Protagonisten so unbekannt wie einigen Amerikanern/innen die Tatsache, dass es jahrelang zwei deutsche Staaten gab. Die gegenseitige Ignoranz wird jedoch nicht angeprangert, sondern liebevoll karikiert. Das große amerikanische Freiheitsversprechen erfüllt sich vollends on the road Richtung San Francisco. Die in warmen Zum Inhalt: FarbgestaltungFarb- und Lichteffekten gehaltenen Autofahrten durch die Prärie machen ein neues Lebensgefühl geradezu körperlich spürbar. Dabei spielen Regie und Drehbuch mit dem nostalgischen Effekt bekannter Bilder: Schummerige Motels an schnurgeraden Highways und stets zur Unzeit im Rückspiegel auftauchende Cops – man kennt diese Ikonografie aus unzähligen Hollywood-Road Movies. Die Klischeehaftigkeit der genregemäß von Zum Inhalt: FilmmusikPopmusik begleiteten Bilder ist allein durch Toms und Veits erfrischende Unkenntnis gebrochen. Wer außer ihnen würde hier nackt hinterm Steuer sitzen oder sich einer zwielichtigen Biker-Gang anschließen, die direkt dem Kult-Klassiker "Easy Rider" (Dennis Hopper, USA 1969) entsprungen zu sein scheint?

Freundschaft!

Auf einer nachdenklicheren Ebene ist "Friendship!" ein Film über Freundschaft. Dass Veit die Existenz eines Vaters stets verschwiegen hat, kann Tom nicht begreifen. Müssen Freunde sich nicht alles erzählen? Und die Konkurrenz um die Studentin Zoey, die die Jungs eine Zeitlang begleitet, stellt eine zusätzliche Belastungsprobe dar. Letztlich bereiten Konflikte und Enttäuschungen den für Road Movies ebenfalls typischen Weg zur Selbstfindung und festigen am Ende auch die Freundschaft. Den schwersten Schlag könnte Veit ohne Tom kaum verkraften: Seinen Vater, ein Opfer des DDR-Regimes, wird er nie wieder sehen. Ob der Versuch geglückt ist, der Komödie durch diese tragische Drehbuchwendung mehr politisches Gewicht zu verleihen, lässt sich debattieren.

Selbsterkenntnis in der Fremde

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Vor allem mit viel Witz und zwei spielfreudigen Hauptdarstellern macht der Film die Reise in den Kapitalismus zum Erfolg. Eine versteckte Botschaft würdigt sogar die enorme Anpassungsleistung der DDR-Bürger/innen nach der Wende: Nur durch die Mobilisierung all ihrer kreativen und kommerziellen Fähigkeiten - die Hobbyfilmer zeigen ihre mitgebrachten Zum Inhalt: Super 8Super-8-Filme, verkaufen selbst bemalte Stücke der "Berliner Mauer" und verdingen sich als Stripper - können Tom und Veit dieses Abenteuer bestehen. Die vielleicht wichtigste Erfahrung machen die beiden bei der Vorführung eines mitgebrachten Super-8-Films. Die melancholische Hommage an ihr ungeliebtes Land rührt nicht nur das amerikanische Publikum zu Tränen; die Freunde akzeptieren dabei auch ihr Leben in der DDR als wertvollen Teil ihrer Vergangenheit. Manchmal muss man in die Fremde gehen, um sich selbst zu erkennen.

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