Die vielleicht erste Drogen-Szene der Kinogeschichte zeigte der 1895 veröffentlichte StummfilmOpium Joint von William K.L. Dickson. Der als verschollen geltende Kurzfilm handelt von einem Mann, der Opium raucht und dabei unangenehme Halluzinationen erlebt. Chinesische Opiumhöhlen wurden im frühen Stummfilmkino oft thematisiert, wobei der Effekt der Droge auf die Konsumenten meist slapstickhaft und vor exotischer Kulisse inszeniert wurde.
Seitdem wurden Drogen und Rauscherfahrungen in zahlreichen Filmen aus allen denkbaren Perspektiven dargestellt. Die Stoßrichtungen variieren erheblich. Mal wollen die Filme aufklären, mal abschrecken, mal bestimmte Milieus schildern oder schlicht unterhalten. Nicht immer stehen die Drogen dabei im Zentrum, manchmal berauschen sich die Figuren auch ganz beiläufig. Oftmals erscheint die Darstellung von Drogen als Möglichkeit, die filmischen Darstellungsformen abseits erzähllogischer Vorgaben auszureizen.
Drogen im Film: quer durch alle Genres
"Drogenfilme" lassen sich nicht als feste Genreform definieren. Stattdessen tauchen Suchtmittel in sämtlichen Filmgenres auf, in Dramen und Biopics ebenso wie in Komödien, Thrillern oder Science-Fiction-Filmen. Je nach Zeitgeist rücken manche Drogen in bestimmten Jahrzehnten gehäuft in den Blick: Marihuana und LSD in den 1970er-, Kokain in den 1980er-, chemische Drogen wie Ecstasy in den 1990er-Jahren. Nicht selten dient der staatliche Kampf gegen Drogenkartelle als Aufhänger zur Spannungserzeugung, die wie bei Traffic (Steven Soderbergh, USA/D 2000) mit einem politischen Panorama einhergehen oder wie in Drug War (Johnnie To, CH/HK 2012) zum Actionkino tendieren kann. In den letzten Jahren greifen Produktionen wie die Serie Breaking Bad (Vince Gilligan, USA 2008-13) oder der Dokumentarfilm Cartel Land (Matthew Heineman, USA 2015) vermehrt den "War on Drugs" im Grenzland zwischen den USA und Mexiko und die Modedroge Crystal Meth auf.
Auffällig ist, dass viele "Drogenfilme" einen gewissen Kultstatus erlangt haben. Das liegt einerseits an der filmisch oft progressiven Rausch-Inszenierung und mag andererseits darauf zurückzuführen sein, dass die Herangehensweise an den Konsum nicht selten augenzwinkernd ausfällt. "Kifferkomödien" wie Up in Smoke (Cheech und Chong – Viel Rauch um nichts; Lou Adler, USA 1978) oder Lammbock (Christian Zübert, D 2001) animieren das Publikum geradezu, dem Drogengebrauch der Filmfiguren nachzueifern, wohingegen der abschreckend gemeinte Aufklärungsfilm Reefer Madness (Louis J. Gasnier, USA 1936) aufgrund unfreiwilliger Komik zum Kultfilm aufstieg.
Zwischen Sozialrealismus und subjektiver Rauscherfahrung
Anspruchsvolle Filmdramen verbinden die Suchterzählung häufig mit psychologischen Charakterporträts und realitätsnahen Milieuschilderungen, um gleichermaßen die persönlichen Ursachen und den gesellschaftlichen Kontext der Sucht aufzuzeigen. Das typische dramaturgische Muster – Abhängigkeit, Entzug, Rückfall und nicht selten ein tragischer Absturz – wandte Otto Preminger bereits 1955 in The Man with the Golden Arm an. Andere Beispiele für eine sozialkritische Auslotung der Drogenthematik sind The Panic in Needle Park (USA 1971) über ein abhängiges Liebespaar, Maria voll der Gnade (COL/ECU/USA 2004) über den Drogenschmuggel als Ausweg aus der Armut oder Die beste aller Welten (Ö/D 2017), in dem Regisseur Adrian Goiginger seine Kindheit mit einer heroinsüchtigen Mutter verarbeitet.
Die filmische Darstellung von Drogenerfahrungen ähnelt der Inszenierung von Träumen. In beiden Fällen wechselt die Erzählhaltung oftmals von einem äußeren Standpunkt in die innere Erfahrungswelt einer Figur. Bisweilen nutzen die Filmschaffenden Horrorfilmmotive, wenn sich die Körper der Filmfiguren verformen oder beklemmende Halluzinationen aus dem Unbewussten hervorbrechen. Die audiovisuelle Imitation eines Drogenrauschs birgt die Möglichkeit, die Bandbreite filmischer Stilmittel auszuschöpfen. So nutzt der Autorenfilmer Gaspar Noé die LSD-Trips der Charaktere aus Enter the Void (F/D/I/CAN 2009) und Climax (F/B/USA 2018) als Vehikel für zahlreiche Schockeffekte im Geist des Exploitation-Films.
Die Ästhetik filmischer Rauschdarstellungen
Regelmäßig verwendete Stilmittel sind Farbspiele und Farbfilter, Zeitraffer und Zeitlupen, rasche Perspektivwechsel oder eine entfesselte, "wankende" Kameraführung, Kaleidoskop-Effekte, Doppelbelichtungen und Unschärfen. Manchmal verändert sich die Umgebung wie das Hotel in Fear and Loathing in Las Vegas (USA 1998), sehr häufig vermitteln schnelle Schnittfolgen die Rauscherfahrung. Mit über 5000 Schnitten in 100 Minuten versuchte der Videoclip-Regisseur Jonas Åkerlund die aufputschende Wirkung von Speed mit dem Film Spun (USA 2002) auf das Publikum zu übertragen.
Bei der Inszenierung der im Drogenrausch veränderten Wahrnehmung spielt auch das Tondesign eine Rolle. In Requiem for a Dream (USA 2000) verwendet Darren Aronofsky expressive Soundeffekte und einen wuchtigen, elektronisch verstärkten Orchester-Score von Clint Mansell, um die verzerrte Realitätswahrnehmung zu unterstreichen. Wie in Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (BRD 1981) von Uli Edel drücken die Soundtrack-Songs von "Drogenfilmen", in diesem Fall vor allem "Heroes" von David Bowie, oft das zumindest anfänglich abenteuerliche Lebensgefühl aus, das mit der Abkehr von gesellschaftlichen Normen einhergeht.
Rezeption – abschreckende oder faszinierende Wirkung?
Die Ästhetisierung von Rauschzuständen ist eine Gratwanderung, die Suchtstoffe manchmal – trotz gegenteiliger Intention – reizvoll erscheinen lässt. Die wiederholt vorkommenden Close-ups auf Drogenutensilien, die etwa das Erhitzen von Heroin in einem Löffel oder das Zusammenrollen eines Joints ins Bild setzen, können eine Faszination auslösen. Auch die gern wortreiche Verklärung der Rauschmittelwirkung seitens der Filmfiguren kann einen werbenden Charakter annehmen. In Danny Boyles Trainspotting (GB 1996) beschreibt der Junkie Renton das Glücksgefühl nach der Injektion von Heroin so: " Nimm den besten Orgasmus, den du je hattest. Multiplizier in mal tausend und du bist noch nicht mal nah dran."
Aber: In fast allen "Drogenfilmen" folgt auf die idealisierenden oder verlockenden Seiten der Rauschdarstellung der Absturz, wenn nicht gar der Tod. In Trainspotting schockiert eine Szene, in der ein vernachlässigtes Baby stirbt; in Das weiße Rauschen (D 2001) löst der Konsum psychedelischer Pilze eine Psychose aus; und der Lachflash der Figuren in Requiem for a Dream wird von einer düsteren Parallelmontage über die Abgründe ihrer Abhängigkeit überschattet. In Anbetracht des weltweit steigenden Rauschmittelkonsums – insbesondere in den USA – ist auch weiterhin mit entsprechenden Filmproduktionen und neuen filmischen Perspektiven zu rechnen.
Autor/in: Christian Horn, freier Filmjournalist in Berlin, 15.01.2019