Wer ist besser, Bruce Lee oder Batman? Eine Frage, zu der Jo eine klare Meinung hat: "Bruce Lee ist schon tot – aber Superhelden sind unsterblich!" Strenggenommen ist auch Batman, der fiktive Fledermausmann, nur ein Mensch, doch das spielt für die Neunjährige keine Rolle. Jo liebt Actionfilme aller Art, in ihrer Fantasie kann sie beinahe vergessen, dass sie unheilbar krank ist. Sie hat keine Superkräfte, um den Tod zu besiegen. Doch Menschen können sich gegenseitig Kraft geben. Das ist die tröstliche Botschaft des kenianischen Films "Supa Modo" , in dem ein ganzes Dorf mithilft, die verbleibende Zeit eines kleinen Mädchens zu etwas Besonderem zu machen. Zusammen drehen sie einen Film – mit Jo in der Hauptrolle.

Supa Moda, Szene (© One Fine Day Films)

Mit seinem eigenen Film nährt Regisseur Likarion Wainaina keine Illusionen. Stattdessen feiert er auf sensible und gelegentlich humorvolle Weise das Spiel damit. In "Supa Modo" kommt die Idee zu dem aufregenden Filmprojekt von Jos Schwester Mwix. Nach der niederschmetternden Diagnose im Krankenhaus will sie nicht akzeptieren, dass die lebensfrohe Jo ihre letzten Tage traurig im Bett verbringt. Zunächst überzeugt sie die kleine Schwester auf spielerische Weise von ihren geheimen Superkräften. Natürlich weiß Jo, dass es nicht ihre telepathischen Fähigkeiten waren, die den Salzstreuer bewegt haben. Als ganze Fußballmannschaften und plötzlich auftauchende Räuber vor ihrer magischen Hand erstarren, ahnt sie die Absprache hinter ihrem Rücken. Doch sie begreift: Indem sie mitspielt, macht sie sich und allen anderen eine große Freude.

Das Spiel mit der Illusion macht den Schmerz erträglicher

"Was ist so schlimm an ein bisschen Theater?" Wider Erwarten äußert diesen Leitspruch zunächst die Mutter der beiden Schwestern, die Mwixs Idee für verantwortungslos hält und auch das Filmprojekt zunächst ablehnt. Aber auch die schwer arbeitende Hebamme spielt "ein bisschen Theater", indem sie Jos ernsten Zustand vor ihrer Tochter und der ganzen Dorfgemeinschaft geheim hält, nicht ahnend, dass alle längst davon wissen. Noch bevor die erste Klappe fällt, zeigt sich das Spiel mit der Illusion als Strategie, um schmerzhafte Wahrheiten erträglicher zu machen.

Doch sind aufreibende Dreharbeiten nicht in der Tat zu gefährlich für ein schwerkrankes Kind? Besteht nicht auch die Gefahr der Enttäuschung? Diese – keineswegs grundlosen – Bedenken der Mutter teilt nicht zuletzt Mike, der örtliche Videojockey, Filmvorführer und Kinoerzähler. Doch mit einem schlagkräftigen Argument hat ihn Mwix schnell überzeugt: Mike, stolzer Inhaber einer kleinen Firma ("Sounds & Sinema"), bekommt die Zum Inhalt: Regie.

Supa Moda, Szene (© One Fine Day Films)

Mit einfachen Tricks wird aus dem kleinen kranken Mädchen Jo Supa Modo, die tapfere Heldin. Ein Umhang auf den Schultern und ein gemalter Blitz über dem Auge, fertig ist das Zum Inhalt: Kostüm. Ein auf den Boden gekippter Bühnenhimmel (Glossar: Zum Inhalt: Production Design/Ausstattung), unsichtbare Schnüre und an Stäben geführte Wattebäusche simulieren, mangels Budget, den Flug über den Wolken. Mike, der seine einfache DV-Kamera zu einer Steadycam (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) umgebaut hat, wähnt sich schon in Hollywood. Tatsächlich verweisen manche der charmanten "Do it yourself"-Tricks auf die Anfänge des Kinos, lange vor computergenerierten (Glossar: Zum Inhalt: CGI) Zum Inhalt: Spezialeffekten. Nebenbei werden sämtliche Prozesse des Filmemachens abgehandelt, von ersten Drehbuchgesprächen (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) ("Jo, was soll in deinem Film passieren?") über die Besetzung bis zum Merchandising mit selbstgemalten Filmplakaten.

Fließende Übergänge zwischen Realismus und Kinderfantasie

"Supa Modo" selbst ist indes ein professionell produzierter Film von künstlerisch hohem Niveau. Das Leben einer kenianischen Dorfgemeinschaft – gedreht wurde an einem Originalschauplatz (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) in der Nähe der Stadt Limuru – wird anschaulich wiedergegeben, in bunten Farben (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung), aber ohne sozioökonomische Probleme zu unterschlagen. Auch einen gewissen Hang zu Mythen und Aberglauben deutet der Film an: Manche der Kinder stellen sich die kranke Jo als Geist vor. Künstlerisch besonders überzeugend sind die fließenden Übergänge zwischen den Handlungsebenen von Spiel und Ernst, Traum und Wirklichkeit.

In einigen Zum Inhalt: Sequenzen, die sich als Wachträume charakterisieren lassen, illustrieren langsame Kamerafahrten und geheimnisvolle Sphärenklänge Jos inneres Schweben zwischen Leben und Tod. Immer wieder wähnt sie sich auf einer idyllischen Klippe, wo sie einst viel Zeit mit ihrem verstorbenen Vater verbrachte. Sie scheint zum Flug anzusetzen, doch sie hebt nicht ab. Die Angst vor dem Tod und der Wunsch, das Leiden hinter sich zu lassen, verbinden sich zu einem schmerzhaft schönen Bild, in dem empathischer Realismus und Kinderfantasie keinen Widerspruch bilden.

Sterben als gemeinsamer Prozess

Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen, lautet ein oft bemühtes afrikanisches Sprichwort. Müsste, was für das Leben gilt, nicht auch für den Tod gelten? Im Rahmen einer Fantasie, die den Boden der Realität nur vorsichtig verlässt, beschreibt "Supa Modo" das Sterben als gemeinschaftlichen Prozess. Zwar kann das "bisschen Theater" den Tod nicht bezwingen. Die Wollmütze auf Jos kahlem Kopf, die in fast jedem Bild zu sehen ist, lässt keine Illusion zu. Doch der Zusammenhalt, der in einem heiteren Filmprojekt zum Ausdruck kommt, entwickelt doch so etwas wie Superkräfte. Er erlaubt Jo und denen, die sie zurücklässt, einen liebevollen Abschied zu Lebzeiten. Indem Likarion Wainaina die Ebenen von Fiktion und Wirklichkeit trennt und zugleich vereint, gelingt ihm eine so angemessene wie bewegende Reflexion über ein, gerade im Kinderfilm (Glossar: Zum Inhalt: Kinderfilm), selten behandeltes Thema – und ein ganz besonderer Superheldinnenfilm.

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