Hintergrund
Infotainment für Kinder
Wissen unterhaltsam zu präsentieren – in den Mediendiskussionen vor allem der 1980er-Jahre hatte das keinen guten Ruf. Wurde damals die Mischung von Informationen mit Unterhaltung vor allem im Fernsehen noch skeptisch beäugt, hat sich Infotainment oder auch "Edutainment" inzwischen einen festen Platz im Medienkatalog erarbeitet. Gerade im Kinderfernsehen dürfte hochwertiges Infotainment heute als Goldstandard gelten. Nicht nur wünschen Eltern sich Wissenssendungen,
Dokumentationen und Kindernachrichten im Fernsehprogramm dringend, wie zuletzt eine im Juli 2023 von der Medienwissenschaftlerin Maya Götz für das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) durchgeführte Studie deutlich zeigte. Das Recht auf Information ist auch Bestandteil der
Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen – ein zwingender Grund also für das entsprechende Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender, insbesondere des KiKA.
Wieso, weshalb, warum? – Von der Sesamstraße bis zur Sendung mit der Maus
Die zwei Urgesteine der bildenden Unterhaltung für Kinder sind im westdeutschen Fernsehen die
Sesamstraße, die zumindest in den meisten Regionalprogrammen der ARD ab Januar 1973 zu sehen war, und die
Sendung mit der Maus – Erstausstrahlung: März 1971. Beide Formate gibt es bis heute, wenngleich sie in mittlerweile über fünfzig Jahren zahlreiche Wandlungen durchgemacht haben. So wurden von der ursprünglich aus den USA kommenden
Sesame Street in Deutschland zunächst fünf Folgen in Originalfassung gezeigt, ab 1973 dann US-amerikanische Sendungen in synchronisierten und leicht nachbearbeiteten Fassungen.
Seit Mitte der 1970er ist die
Sesamstraße ein deutlich heimischeres Gewächs – zunächst die Rahmenhandlung und bald auch weitere Teile der Sendung wurden in der Bundesrepublik Deutschland produziert, der Titelsong ("Wer? Wie? Was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm.") hat sich nicht nur ganzen Generationen im Hirn verankert, er darf auch gewissermaßen als Leitlinie für das Genre stehen: einfache Fragen stellen und die Antworten präsentieren.
"Lach- und Sachgeschichten" – Infotainment im Minutentakt
Während die
Sesamstraße bis heute eine Rahmenhandlung mit informativen Beiträgen mischt, hat die
Sendung mit der Maus eher den Charakter einer kleinen Revue von "Lach- und Sachgeschichten". Die kurzen "Sachgeschichten" gehen in wenigen Minuten Fragen nach, die nicht nur junge Zuschauende interessieren: Wie werden eigentlich die Stühle hergestellt, die in der Schule stehen? Wie wird Apfelessig gemacht? Oft und lange von Armin Maiwald präsentiert, der – neben Maus und Elefant – zu Stimme und Gesicht der Sendung wurde, gibt es sie inzwischen in der kontinuierlich erweiterten "Bibliothek der Sachgeschichten" auch getrennt – auf DVD, YouTube und in der
ARD-Mediathek, thematisch gruppiert oder alphabetisch sortiert von Aachener Dom bis Zwiebelturm.
Peter Lustig und die Checker – die Personalisierung des Kinderfernsehens
Ähnlichen Bekanntheitsgrad und vergleichbare Breitenwirkung wie diese beiden Sendungen haben wahrscheinlich nur
Löwenzahn und die Checker erreicht – beide stark personalisiert, aber sehr unterschiedlich. Die Reihe
Löwenzahn ist für die meisten Erwachsenen wahrscheinlich mit Peter Lustig und seinem Bauwagen verbunden, der ab 1979 zum Ende jeder Sendung zum Abschalten aufrief und vorher meist auf ein Problem stieß, für dessen Lösung er einem bestimmten Thema nachforschte – in seinem Garten oder draußen in der weiten Welt. Heute übernimmt diese Rolle Guido Hammesfahr als Fritz Fuchs –
die Sendung wird weiter regelmäßig ausgestrahlt.
In der
Checker-Welt auf KiKA und im Ersten werden bestimmte Themen (zum Beispiel "Schleim" oder "Internat") von den "Checkern" einem "Check" unterzogen – bislang waren das die Checker Tobi, Julian und Can, ab Mitte Oktober 2023 gibt es endlich auch die erste Checkerin Marina. Mit "CheXperimenten" und "CheXpeditionen" werden verschiedene Methoden des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns angespielt – aus solchen Recherchen entstanden dann auch die Kinofilme
Checker Tobi und das Geheimnis unseres Planeten (Martin Tischner, DE 2019) und
Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen (Johannes Honsell, DE 2023). Wie vorher schon bei Peter Lustig spielt die Persönlichkeit der "Checker" und damit ihre Glaubwürdigkeit bei diesen Formaten eine zentrale Rolle. Mit ihren Fragen übernehmen sie die Rolle eines neugierigen Kindes – also ihres Publikums, das sich darauf verlassen können muss, auch zuverlässig richtige Antworten zu bekommen.
Wenn Checker-Tobi in seiner Sendung Bundeskanzler Olaf Scholz zum Interview trifft, kann es aber auch darum gehen, wie politische Praxis funktioniert. Von dort ist dann der Weg nicht mehr weit zu Nachrichtenformaten wie
logo! vom ZDF. Auch das WDR-Format
Neuneinhalb schickt Reporter/-innen in die Welt, die dann zuweilen auch Themen aus der Wissenschaft aufgreifen. Für all diese Formate wird erwartet, dass sie durch die Auswahl ihrer Themen und Gesprächspartner/-innen ausgewogen berichten – nur so kann Aufklärung etwa über den Klimawandel wirkungsvoll als Gegenkraft zu "Fake News" und Verschwörungserzählungen funktionieren.
Konkret am Leben von Kindern: Wissen macht Ah! und Willi will's wissen
Eine Übersicht über aktuelle Informationssendungen für Kinder ist damit jedoch nicht beendet.
Wissen macht Ah! (ebenfalls vom WDR und lange Zeit von Ralph Caspers moderiert, der sein Handwerk bei der
Sendung mit der Maus gelernt hat) kümmert sich um Fragen aus dem Alltag,
Willi will's wissen (BR) war auf seinen Moderator Willi Weitzel zugeschnitten und wird zwar seit 2010 nicht mehr produziert, die Sendungen sind aber
online noch zu finden – und 2022 gab es mit
Willi und die Wunderkröte (Markus Dietrich, DE 2021) einen Kinofilm, in dem Weitzel sich mit Amphibien beschäftigt. Kleine Reportagen aus aller Welt finden sich außerdem in der Reihe
Schau in meine Welt! auf KiKA, die in vielem erzählerisch an die insgesamt 50 kurzen Geolino-Reportagen erinnern, die bis etwa 2016 neben dem gleichnamigen Printmagazin erschienen und heute noch auf DVD zu haben sind: kleine Geschichten, die sich meist konkret am Leben von Kindern in unterschiedlichsten Teilen der Welt orientieren.
Kleiner Bildschirm, großes Kino: Wissensvermittlung auf allen Kanälen
Im Kino sind Dokumentarfilme für Kinder – in jeder Länge von 30 Minuten bis zum veritablen Kinofilm – außerhalb von Festivals eher die Ausnahme. Naturdokus wie
Die Eiche (
La chêne, Laurent Charbonnier, Michel Seydoux, FR 2022) oder
Die Wiese – ein Paradies nebenan (Jan Haft, DE 2019) richten sich nicht ausschließlich ans ganz junge Publikum, anders als etwa
Lene und die Geister des Waldes (Dieter Schumann, DE 2020) oder das als hybrides Multimedia-Erlebnis angelegte
Meine Wunderkammern.
Stattdessen bemühen sich vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Formate auch auf Social Media zu überführen. funk, das Content-Netzwerk von ARD und ZDF, ist mit verschiedenen informierenden und kommentierenden Formaten (von "MrWissen2Go" bis "FakeCheck") nicht nur auf YouTube, sondern auch auf Instagram und TikTok aktiv. Allerdings richtet sich deren Angebot vor allem an junge Menschen ab 14 Jahren; für Jüngere sind diese Social-Media-Plattformen eigentlich noch nicht zugelassen. Die Nutzungsrealität sieht freilich anders aus, und deshalb findet man
Die Maus und
logo! auch auf YouTube, die
Checker-Welt sogar auf TikTok. Denn natürlich sollen die Kinder dort erreicht werden, wo sie sind – und nicht nur dort, wo sie sein sollten.
Autor/in: Rochus Wolff, Filmjournalist, Autor und Herausgeber vom kinderfilmblog.de, 04.10.2023
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