Sommer 1987: Der junge Aristoteles ist mit seinem Namen eines antiken Gelehrten nicht zufrieden – zu groß, zu ungewöhnlich für den Sohn aus einer eher armen Familie mexikanischer Immigranten/-innen im texanischen El Paso (siehe dazu Glossareintrag:
Drehort/Set). Mit dem gleichaltrigen Dante, benannt nach dem dem italienischen Philosophen und Dichter, kann er dieses Leid teilen, obwohl Dante in vielem sein Gegenteil ist: Er interessiert sich für Kunst und Gedichte, sein Vater unterrichtet an der Universität. Den Sommer über freunden sich die beiden Heranwachsenden an, Dante bringt Aristoteles das Schwimmen bei. Sie reden über Familie und Träume und dann rettet Aristoteles seinem Freund in einer Regennacht auch noch das Leben. Aber Dante muss für ein Jahr weg, sein Vater wird in Chicago lehren. Fortan schreiben sich die beiden Briefe, die immer persönlicher werden. Während Aristoteles mit Mädchen knutscht, schreibt Dante, dass er lieber einen Mann heiraten will. Als die beiden sich im nächsten Sommer wiedersehen, verkompliziert sich die Lage zwischen den beiden, und es kommt fast zu einer Katastrophe, bis Aristoteles begreift, dass er Dantes Liebe von ganzem Herzen erwidert.
Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums basiert auf dem gleichnamigen Roman von Benjamin Alire Sáenz. Der
Coming-of-Age-Film begleitet vor allem Aristoteles in seiner Entwicklung vom so schüchternen wie unterschwellig aggressiven Einzelgänger hin zu einem gleichermaßen selbstbewussten und doch in vielem noch unsicheren jungen Mann. Wir erleben die Unterschiede zwischen seiner und Dantes Familie aus seinen Augen, den Umgang mit Kunst und mit Geheimnissen, auch die Art, wie miteinander gesprochen wird. Dramatische Momente (ein Unfall oder eine Gewalttat) passieren mit einer Ausnahme offscreen oder nur in der Erzählung. Stattdessen fokussiert der Film auf Gesprächssituationen und nutzt wiederkehrende Motive, um den emotionalen Zustand und die Verbundenheit seiner Protagonisten zu markieren: Regen, zusammengebundene Schuhe, das Schwimmbad, in dem sie sich kennenlernen; Aristoteles' fast schon antiker Chevy Pickup-Truck (siehe dazu Glossareintrag
Production Design/Ausstattung) dient als intimer Rückzugsraum. Während des Jahres, in dem sich die beiden Briefe schreiben, werden die aus dem
Off eingelesenen Briefe durch die Bilder ergänzt und konterkariert; so wird deutlich, wie sich die beiden gemeinsam und doch getrennt entwickeln.
Die
Romanadaption bietet sich dafür an, im Englisch- oder Deutschunterricht die medienspezifischen Unterschiede und Veränderungen vom Roman zum Film beziehungsweise zum
Drehbuch zu untersuchen und zu diskutieren: Wie wird zum Beispiel der Briefkontakt etabliert und inszeniert, welche Elemente werden im Film weggelassen? Wie werden solche Lücken womöglich durch die
Inszenierung gefüllt? Weiter kann dazu angeregt werden, das Coming-out in diesem Film mit anderen Filmen oder Erzählungen über LGBTQI+-Jugendliche zu vergleichen; hier sind es letztlich Aristoteles’ Eltern, die ihm liebevoll bewusst machen, dass er in Dante verliebt ist – und ihn daran erinnern, dass seine Großmutter lange Jahre mit einer Frau zusammengelebt hat. Auf jeden Fall lohnt sich ein Blick auf den historischen Kontext der späten 1980er-Jahre – im Film werden kurz TV-Nachrichten von den Act Up!-Protesten gezeigt. Daraus ergeben sich Anknüpfungen zum Thema AIDS und den Umgang damit sowie mögliche Diskussionen zu Homosexualität und der rechtlichen Situation von damals bis heute.
Autor/in: Rochus Wolff, 08.02.2024
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