Die Diagnose des Arztes trifft Ava mit voller Wucht. Nach und nach wird die Sehkraft des 13-jährigen Mädchens schwinden, bis sie bald völlig erblindet. Für Ava beginnen ihre Sommerferien, die anders sind als alle je zuvor. Sie saugt noch einmal alle Eindrücke um sich herum auf und bereitet sich auf ihre Erblindung vor. Und sie trifft den geheimnisvollen Juan, der mit seinem schwarzen Hund
am Strand herumlungert. Ava ist fasziniert von dem jungen Mann, der so wild und frei zu sein scheint. Während ihre Mutter sich in eine Affäre stürzt und ihr immer peinlicher wird, entdeckt Ava allmählich Körperlichkeit und Sinnlichkeit, überschreitet Grenzen und lernt, ihr Schicksal zu akzeptieren.
Obwohl
Ava in einem heißen Sommer spielt, wirken die Bilder von Anfang an
dunkel und strahlen nicht. Großflächig rücken immer wieder schwarze Flecken ins Bild, durch die die Filmgestaltung den Verlust von Avas Sehkraft vermittelt. Zeichnet sich der Film zu Beginn noch durch stille Momente des Innehaltens und eine realistische Grundhaltung aus, so konterkariert er diese melancholische Stimmung zunehmend durch überdrehte, teils surreale, teils aberwitzige
Szenen, die Avas Ängste sowie ihren Ausbruchsversuch aus dem bedrückenden Alltag sichtbar machen. Die streng komponierten Bilder weichen humorvoll-verspielten
Inszenierungen, während auch die beunruhigenden spärlichen
Cello-Klänge aufgebrochen und variiert werden.
Ava, Trailer (© [eksystent distribution] filmverleih)
Mehr noch als die Geschichte einer tragischen Erkrankung ist
Ava vor allem ein
Film über das Erwachsenwerden, in dem der Verlust der Sehkraft einen radikalen Bruch darstellt. Ihre allmähliche Erblindung zwingt die Protagonistin dazu, sich selbst anders wahrzunehmen und neue Wege zu erproben. So lädt der Film etwa im Fach Ethik dazu ein, über die Gegenüberstellung der zunächst recht zurückhaltenden Ava sowie ihrer unbedarft agierenden Mutter nachzudenken. Was wird dadurch über die verschiedenen Generationen und ihr Verhältnis zueinander erzählt? Außerdem kann untersucht werden, welche Bedeutung Juan in Avas Leben hat und wie Ava sich ihm gegenüber verhält. Im Deutsch- und Kunstunterricht lassen sich die unterschiedlichen
Genreversatzstücke, Erzählhaltungen sowie deren Inszenierung vergleichen. Spannend ist aber auch die Frage, wie
Ava filmisch den Verlust des Augenlichts für das Publikum nachvollziehbar macht. Anhand von Fotos, Zeichnungen oder Bildserien können die Schüler/-innen versuchen, in Anlehnung an den Film oder aber mit eigenen Ideen eine zunehmend eingeschränkte Wahrnehmung abzubilden. Hier lohnt auch ein Vergleich mit dem thematisch ähnlichen Coming-of-Age-Film
Camera Obscura (2011).
Autor/in: Stefan Stiletto (Text vom 25.09.2018), 07.12.2020
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